Eros
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Drei Episoden zum beliebtesten Thema der Welt
Regie: Michelangelo Antonioni, Steven Soderbergh, Wong Kar-Wai
Es ist inzwischen ja gute Tradition, Episodenfilme herauszubringen, in denen sich verschiedene hochkarätige Regisseure eines Themas annehmen. Dieser Film ist dem Altmeister Michelangelo Antonioni gewidmet- sowie dem zugkräftigsten Thema überhaupt, der Erotik.
Antonioni selbst eröffnet das Trio mit der Episode "Il filo pericoloso delle cose". Ein Mann trennt sich von einer Frau, lernt eine neue kennen. Zum Schluss treffen sich die Frauen nackt am Strand. Man merkt schon: eine Inhaltsangabe macht hier absolut keinen Sinn, da Antonioni stark assoziativ und symbolisch arbeitet. Sein Beitrag ist der wirkungsvollste und bezieht sich am stärksten auf das Motto "Eros"- die Spannung zwischen den Figuren ist spürbar, sie hat etwas mit Andeutungen, mit Entdecken zu tun. Zudem ist diese Episode sehr schön anzuschauen; grandiose Motive werden geschickt in das Geflecht der Geschichte eingewoben.
Leider geht es nicht in dieser spielerischen Leichtigkeit weiter. Steven Soderbergh lässt in "Equilibrium" einen Mann sich auf der Couch des Psychiaters ausweinen, während dieser mit Fernglas und Papierflieger versucht, die Aufmerksamkeit einer nicht sichtbaren Person im gegenüberliegenden Gebäude zu erlangen. Das ist zwar teilweise amüsant, wenn man den Verrenkungen des Psychiaters zusieht, über eine ganze Episode trägt das aber nicht. Auch die Traumsequenzen aus der Erzählung des Patienten lockern den Mittelteil von "Eros" nicht wirklich auf.
Wong Kar-Wai schließt mit "The Hand" den erotischen Reigen ab, und leider schafft auch er es nicht, den Film so prickelnd enden zu lassen, wie er begonnen hat. Sehr episch (oder einfach nur langatmig) schildert er die unterschwellige erotische Beziehung eines jungen Damenschneiders mit einer Nobelprostituierten. Gleich bei der ersten Begegnung wird er von ihr mit der Hand befriedigt. Das genügt, um den unerfahrenen Schneider auf Lebenszeit loyal zu machen- er vergöttert sie und schneidert in den folgenden Jahren unbezahlbare Unikate. Als es mit der Kurtisane bergab geht, ist er der einzige, der sie immer noch begehrt. Doch auch am Schluss, als das Verlangen endlich seine Erfüllung findet, bleibt es die Hand, die die tragende Rolle spielt.
Eine Hommage an Antonioni sollte der Film sein. Und wenn der Sinn war, zu zeigen, dass auch renommierte Filmemacher (zumindest bei diesem Thema) nicht an Antonioni herankommen, dann hat das "Eros" erreicht. Gerade die "Hand"-Episode zeigt deutlich, wie schwierig es ist, erotische Spannung auf der Leinwand zu vermitteln. Der schönste Teil von "Eros" war eigentlich eh die Klammer, die die drei Episoden zusammenhält: zu träumerischer, tragender Musik sind unterschiedliche Montagen von gezeichneten Paaren zu sehen (siehe Filmplakat oben). Gerade diese kurzen Zwischenspiele wecken Erwartungen, die nur von Antonioni selber eingelöst werden. Insgesamt ein interessantes Experiment, bei dem die erotische Spannung sehr schnell nachlässt.
Gesehen von Johannes Prokop
Esmas Geheimnis - Grbavica
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Esmas Geheimnis - Grbavica 90 Min., A/BIH/D/HR, 2005 REGIE: Jasmila Žbanic DARSTELLER: Mirjana Karanovic, Luna Mijovic, Leon Lucev |
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Regie: Jasmila Žbanic
Kinostart: 06. Juli 2006
Die allein erziehende Esma lebt mit ihrer 12-jährigen Tochter Sara in Grbavica, einem Stadtteil von Sarajevo, in dem der Wiederaufbau nach den Jugoslawienkriegen der 90er Jahre nur langsam vorangeht. Weil Esma mit der dürftigen staatlichen Unterstützung nicht auskommt, nimmt sie widerstrebend eine Stelle als Kellnerin in einem Nachtclub an. Esma, die noch immer traumatisiert ist durch die gewalttätigen Ereignisse der Vergangenheit, besucht die Gruppentherapie im örtlichen Frauenzentrum, hat jedoch nie über ihre Erlebnisse gesprochen. Auch vor der lebhaften Sara scheint Esma ihre Vergangenheit nicht preisgeben zu wollen: Alles, was Sara über ihren Vater weiß, ist, dass er ein "Schechid", ein Kriegsheld, ist, der nie aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Als Sara für einen Preisnachlass bei der anstehenden Klassenfahrt einen Nachweis über den Märtyrertod ihres Vaters benötigt, behauptet Esma, dass es schwierig sei, den offiziellen Nachweis zu bekommen, weil der Körper des Toten noch immer nicht gefunden wurde. Gleichzeitig versucht sie verzweifelt, das gesamte Geld für Saras Klassenfahrt aufzutreiben. Als Saras Klassenkameraden sie damit hänseln, dass sie nicht auf der Liste der Märtyrerkinder steht, rastet Sara aus und stellt ihre Mutter aufgebracht zur Rede. Esma bricht zusammen und konfrontiert Sara mit der grausamen Vergangenheit - der Wahrheit über Saras Vater.
Grbavica - diese unschönen Buchstaben bilden die passende Lautmalerei von Esmas Welt. Auch wenn wir Esma in ihren intimsten Momenten, sei es der Liebe oder der Verzweiflung, erleben, dringen wir nie ganz in ihr Innerstes vor. Der Zuschauer wird auf Distanz gehalten und erfährt nur, was Esma der Außenwelt von sich preisgeben will. Am besten zeigt sich ihr Innenleben in der Musik, die eine dramatische Funktion übernimmt. Iliahijas (Lieder die Gott gewidmet sind) drücken Esmas Gefühle aus, und ihre Sensibilität steht im Gegensatz zur aggressiven und rücksichtslosen Turbo Folk Music, die heute charakteristisch für den Balkan ist und u.a. mit dem Krieg assoziiert wird. Häufig wird die Musik als Kontrast zwischen Esmas und Saras Gefühlen eingesetzt. In ruhigen, detailverliebten, jedoch auch beklemmenden und verstörenden Bildern werden die Liebe und besonders der Schmerz, die die Figuren durchleben, fassbar gemacht. Selten habe ich die Verzweiflung in einem Film so stark wahrgenommen, dass sie fast körperlich schmerzt und unerträglich erscheint. "Grbavica" ist eine Geschichte über die Liebe, die unrein ist, weil sie mit Hass, Abscheu, Trauma und Verzweiflung vermengt ist, über Opfer, die, obwohl sie keine Verbrechen begangen haben, sich der nachfolgenden Generation gegenüber schuldig fühlen, und ein Plädoyer für die Wahrheit, die der erste Schritt zur Verarbeitung eines Traumas ist und Hoffnung auf einen Neuanfang gibt.
Zu Recht gewann dieser Film den "Goldenen Bären" auf der diesjährigen Berlinale.
Gesehen von Daniela Kellner




