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Zu den vielfältigen Aufgaben der Maskenbildner beim Film gehört auch die Gestaltung der Frisuren. Was bewirken sie, was muss man alles bedenken? Nicht ohne Grund heißt das Berufbild im Englischen "Hairdresser", also Haarbekleider.

Haare gehören zu den Gesichtern der Schauspieler-innen und sind deshalb, nicht nur in Nah,- und Großaufnahmen ungeheuer päsent. Sie helfen, die Persönlichkeit und den Charakter einer Filmfigur hervor zu heben, sichtbar zu machen und erlauben es zudem, unterschiedliche Zustände einer Figur zu visualisieren.

Es ist kein Zufall, dass Maskenbildner-innen früher meistens auch eine abgeschlossene Friseurausbildung hatten und selbstverständlich auch Perücken knüpfen konnten. Denn Haare sind sehr wichtig. Maskenbildner sollten, was die Frisuren der Schauspieler angeht, bei historischen Stoffen recherchieren, welche Frisuren zeittypisch waren und gegebenenfalls mit Haarteilen, Haarverlängerungen oder Perücken arbeiten können.

Während des Drehs müssen Maskenbildner neben der Gesichtsmaske auch die Haarkontinuität innerhalb einzelner Szenen und gegebenenfalls auch über den Film hinweg beachten. Das ist besonders wichtig, wenn im Film Zeitsprünge erzählt werden oder wenn Schauspieler mit großen Abständen Einzeldrehtage haben, die innerhalb des Films einen kurzen Zeitraum erzählen.

 

Sensibilität

Der Umgang mit den Haaren von Schauspielern erfordert hohe Sensibilität. Hier liegen oft verwundbare Stellen. Männer tönen, färben ihre ergrauten Haare, kämmen sie sehr kompliziert um Glatzen zu verdecken oder haben gar, was nicht selten ist, Haartransplantationen über sich ergehen lassen. In manchen Kulturkreisen, beispielsweise in Indien, schämen sich Bollywood Schauspieler zutiefst, wenn ihre Haare nicht mehr allzu dicht wachsen.

BuzzFeed hat diesem Thema sogar eine ganze Seite gewidmet: https://www.buzzfeed.com/kimberleydadds/42-celebrity-men-who-are-less-bald-than-they-used-to-be?utm_term=.tudooRD1Y#.xsWZZRAd2

 

Charakterstudien

 

Glatte, gelockte, starre, fließende, widerspenstige oder dünne Haare machen etwas mit ihren Träger-inne-n. Genau wie die Haarlänge, die Farbe und die Frisur ganz klare Aussagen treffen. Ungekämmte Haare, zerraufte ode akkurat gekämmte Haare beschreiben Zustände. Abrasierte Haare stehen oft für Ausnahmesituationen, für Gefängnis oder Radikalisierung.

Zeigt jemand seine Augen und Stirne offen, oder verdeckt er/sie seine Stirn durch einen Pony? Sind die Haare stoppellig, igelig kurz oder nachlässig, ungewaschen, ein wenig zu lang. Was, wenn Jemand eine wichtige Veränderung in seinem Leben durch Abschneiden der ursprünglich langen Haare manifestieren will? Was, wenn eine Frau ihre Haltung zu ihrer Frauenrolle durch Abschneiden sichtbar macht.

 

Dramaturgische Mittel

Barbara Auer und Robert Hunger-Bühler in Vakuum

Die langjährige Verbundenheit der Eheleute Meridith (Barbara Auer) und André (Robert Hunger-Bühler) in Christine Reponds "Vakuum" kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass er ihr regelmäßig den Haaransatz nachfärbt. Später im Film, als eine von ihm verursachte schwere Krise über das Paar hereinbricht und Meredith ihn aus dem Haus wirft, lässt sie sich die Haare kurz schneiden. Ein Zeichen für die Sehnsucht nach Veränderung.

 

Dass eine Filmfigur es zulässt, dass eine andere etwas mit den eigenen Haaren tut, sie färbt, schneidet, flechtet, erzählt viel über Vertrauen, über Vertrautheit. Oder über Naivität, wie in Francois Truffauts Taschengeld, wo eines der Kinder das Friseurgeld für Süßigkeiten ausgibt und seine Kumpel sich dann selbst an den Haarschnitt dran machen, damit der Betrug nicht auffliegt. Unvergessen auch Charly Chaplin, der seinem Adoptivsohn die Haare schneidet, indem er ihm einen Nachttopf aufsetzt und rundherum die hervorstehenden Haare wegschneidet.

 

Kürzen- Point of no return

Junge Frau mit langen Haaren

 

Weibliche Attraktivität wird in vielen Kulturen, insbesondere aber im amerikanischen Kino mit langen Haaren verbunden. Die lange Haare gelten als hervorstechende Attraktion einer Frau, wenn sie diese abschneidet, verliert sie im übertragenen Sinne ihre Weiblichkeit...

Speziell das Abschneiden bzw. Abrasieren von Haaren innerhalb eines Filmes stellt die Produktion oft vor große Herausforderungen. Schließlich muss man bis zu dem Drehtag, an dem die Haare, vorzugsweise im Bild sichtbar abgeschnitten werden, alle Szenen mit langem Haar abgedreht haben. Nach diesem Drehtag kann man den vorherigen Zustand nur mühsam, vielleicht mit Perücke und dem Risiko, dass man das bemerkt, realisieren.

Dramaturgisch werden kurze Haare etwa bei Frauen im US-Kino entweder mit männlich kämpferischen Eigenschaften (Halle Berry in "James Bond 007- Stirb an einem anderen Tag", Grace Jones in "James Bond 007-Im Angesicht des Todes"), oder aber mit psychischer Instabilität (Wynona Rider, "Girl, Interrupted", Mia Farrow, "Rosemary's Baby") in Verbindung gebracht.

 

Glatzen

Mann mit Glatze

 

Das Abrasieren der Haare soll die natürliche Schönheit ihrer Träger-innen wegnehmen. Mönche, Nonnen, Soldaten, Gefangene,- überall dort, wo Individualität reduziert oder Schönheit verborgen werden soll, werden im Kino wie in der realen Welt, Haare abrasiert. Aber auch dort, wo schwere Krankheiten im Film erzählt werden, signalisiert die Glatze, wie es um ihre Träger steht. Wie beispielsweise Bryan Cranston, der sich als Krebs-Patient in "Breaking Bad" die Haare abrasierte.

Als Elyas M‘Barek sich im Frühjahr 2018 die Haare abrasierte, reagierten seine weiblichen Fans mehrheitlich entsetzt, allem Anschein nach geschah dies aus eigenem Antrieb und nicht etwa für eine Filmrolle. Dabei ist die Glatze oder Stoppelfrisur für viele Schauspieler, darunter Samuel L. Jackson, Sean Connery, Jürgen Vogel, Vin Diesel oder Bruce Willis fast zum unverzichtbarenMarkenzeichen geworden.

In Christine Reponds "Silberwald" rasiert sich der fünfzehnjährige Sascha (Saladin Dellers) die Haare ab, als er sich einer Gruppe Neonazis annähren will. Dies lässt ihn zugleich älter, aber auch schutzloser aussehen.

 

Perücken

Haar-Dutt

 

Hier muss man sicherlich unterscheiden, zwischen den Perücken, die vom Zuschauer nicht bemerkt werden und jenen, die der Zuschauer bemerken soll. Die ersten gehören zum Handwerk der Maskenbildner, der zweite Typus ist spannender, denn die erkennbare Perücke strahlt immer auch etwas von Vergeblichkeit aus. Der alternde Handelsvertreter, der sich dank Perücke noch etwas Jugendlichkeit zurückholen will, ist nur eine mögliche Filmfigur. Es gibt zahlreiche Beispiele im Kino für genau diese kleine Unzulänglichkeit, die so viel über ihre Träger aussagt.

Sei es Loriots "Papa ante Portas" oder Maren Ades "Toni Erdmann". In "Oh Lucy!", einem japanischen Spielfilm von Atsuko Hirayanagi versucht eine alternde Frau aus ihrem Leben zu entfliehen, indem sie einen Englischkurs belegt, der ihr aufgedrängt wird und die sich eine blonde Perücke aufsetzt um zur Kunstfigur "Lucy zu werden". Auch hier signalisiert die Unperfektheit der blonden Lockenperücke die Vergeblichkeit des Fluchtversuchs.

 

Färben

Nicht wenige Schauspieler haben durch das Färben ihrer Haare eine Typänderung vorgenommen. Dabei werden auch oft gängige Schönheitsideale über den Haufen geworfen. So haben sich diverse blonde Schauspielerinnen, die ja eigentlich das Schönheitsideal der meisten Amerikaner treffen sollten, aus kleinen und mittleren "Schönes Mädchen von Nebenan" Rollen durch Färben etwa roter Haare in andere, scheibar interessantere Typen verändert. Prominente Beispiele hierfür sind Emma Stone (Superbad) oder auch Kristen Steward (Twilight). Diverse Typänderungen wurden extra für einen Film vorgenommen und dann später von den Schauspieler-inn-en beibehalten.

Dramaturgisch steht das Haarefärben oder eine ungewöhnliche Haarfarbe für Facetten einer Persönlichkeit. In Abdellatif Kechiches Palme d´or Gewinner "Blau ist eine warme Farbe" hat die Kunststudentin Emma, mit der die Hauptfigur Adèle eine Beziehung beginnt, blau gefärbte Haare. Ein sichtbares Zeichen ihres Nonkonformismus.

In "Potless Mind" spielt Kate Winslet die freie und unbefangene Clementine Kruczynski, die dauernd die Haarfarbe wechselt. Unnatürliche Haarfarben stehen im Kommerzkino Hollywoods aber auch gerne für Verrücktheit, Seltsamkeit, Unberechbarkeit. Weitere deutlich rot gefärbte Kino Heldinnen waren Franka Potente in "Lola rennt" oder Milla Jovovich in "Das Fünfte Element"

Graue Haare signalisieren in Hollywood das Alter und dürfen, zumindest bei Frauen, frühestens ab 60, wenn überhaupt, gezeigt werden.

Das Färben von Haaren steht in diversen Krimis auch für die Typveränderung auf der Flucht oder die Vorbereitung eines Verbrechens.

 

Haar-Skills

 

Maskenbildner an Filmsets sollten, falls keine separaten Friseure eingestellt sind, in diesem Zusammenhang folgende Tätigkeiten beherrschen:

 

Schneiden, Legen, Begradigen, Färben, Dauerwelle, Haar-Erweiterungen, Flechten, Rasieren

 

Erfahrung mit dem Ändern, Anpassen, Aufsetzen und Befestigen von Perücken und Haarteilen

 

All dies sollte man unter Zeitdruck bewerkstelligen können

 

Zudem sollten sie auf die Entwicklung der Charaktere in Hinblick auf die Frisur und die Kontinuität innerhalb des Filmes und jeder individuellen Szene achten.

 

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