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Zwischen Dauerkrise und Zukunftsvision

Die 39. Münchner Medientage zeigten eine Branche im Umbruch, zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit und den Herausforderungen großer technologischer Veränderungen. Themen rund um künstliche Intelligenz dominierten die Debatten. Während auf einigen Panels vor allem bekannte Positionen wiederholt wurden, waren vor allem die Diskussionen zu Mediennutzung, dem Wandel in Konsumwerten, Ethikfragen der KI und Fragen zu Vertrauen und Nachhaltigkeit hoch interessant. Björn Jensen hat sich das genauer angeschaut.

Auf den Münchner Medientagen diskutierten drei Tage lang Expertinnen und Experten aus Medien, Technik und Politik über die Zukunft einer Branche, die seit Jahren eine Dauerkrise erlebt und deren positive Aufbruchsimpulse immer auch nach Mut machen im Walde klangen. Auf Panels und in Workshops wurde zum Teil mit prominenten Gästen über aktuelle Trends diskutiert. Zahlreiche Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen präsentierten Ihre Produkte und Serviceangebote.

Viele Panels boten, so der Kommentar vieler Besucher, wenig wirklich neue Einsichten. Bekannte Positionen wurden wiederholt und Diskussionen verliefen entlang vertrauter Linien. Besonders spannend waren jedoch jene Runden, in denen Universitäten oder Institute neue Studien vorstellten - etwa zu Mediennutzung, KI-Anwendungen und das Vertrauen in diese. Da wurde zum Teil intensiv debattiert, wie sich Medienproduktion und -konsum im nächsten Jahrzehnt verändern könnte.

Eines der bestimmenden Themen war die wirtschaftliche Lage der Medienproduktion. Der Markt stecke weiter in der Krise: Sowohl TV-Sender als auch Streaming-Plattformen hätten ihre Aufträge deutlich reduziert. Produktionen lägen nur noch bei 75 Prozent des „Peak TV“-Niveaus und gegenüber dem Vorjahr wäre global über alle Genregrenzen hinweg ein Rückgang um 17 Prozent zu verzeichnen.

Die Diskussion über eine mögliche Abgabenpflicht für Streamingdienste hält an. Kulturstaatsminister Weimer zeigte sich zwar optimistisch, in den kommenden Wochen eine Lösung präsentieren zu können, aber es scheint einiges darauf hin zu deuten, dass es keine Abgebpflicht, sondern eine freiwillige Investitionszusage werden könnte.

 

Kreative Projekte

Neben den großen Branchenthemen sorgten vor allem kleine, kreative Projekte für Aufmerksamkeit. Die Nürnberger Firma isento präsentierte einen Roboter-Bausatz für Schulen. Mithilfe von 3D-Druckern kann ein lebensgroßer Roboter-Torso hergestellt werden, mit dem man interagieren kann. Das Projekt soll Schüler spielerisch an Robotik, Programmierung und Design heranführen - ein gelungenes Beispiel für praxisnahe Medienbildung.

Ein weiteres Highlight waren die kleinen Gesprächsrunden, die im „Umadum“-Riesenrad neben dem Gelände stattfanden. In kleinen Gondelrunden trafen sich Teilnehmende, um über spezifische Themen zu sprechen. In der Session „Scary Content“ von David Marsh wurde zum Beispiel über die Zukunft des Horrorfilms in Deutschland diskutiert. Das Fazit: Horrorfilme sind günstig zu produzieren, haben ein treues Publikum, vor allem auch in Deutschland - werden aber hierzulande von den Sendern, Streamern und Förderungen immer noch unterschätzt.

Technologisch ging es bei John Murphy, dem Design Director von BBC Sport, zur Sache. Er zeigte, wie virtuelle Produktion im Sportbereich eingesetzt wird, in Studio-Sets, die physische Präsenz mit LED Walls und virtuellen Inhalten verbinden. Als Beispiele zeigte er die Fußball EM 2024 und die Olympiade in Paris. Für die UEFA Women’s Euro 2025 in Luzern hatte er ein vollständig virtuelles Studio entworfen. Sein Vortrag machte deutlich, wie digitale Produktion nicht nur Kosten sparen, sondern auch neue kreative Freiheiten eröffnen kann.

 

Wertefragen und KI

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Im Panel „2035 – Die Medienwelt im kommenden Jahrzehnt“ stellten Richard Gutjahr und Thomas Knüver ihr neues Buch vor. Ausgehend von einem Bild unserer Gesellschaft, die zunehmend von Angst geprägt ist, führten sie beispielhaft an, welche interessanten Aspekte sich daraus ergäben: Mehr als 50 Prozent der deutschen Podcasts gehörten dem True-Crime-Genre an - ein Symptom, wie sie sagten, für die Sehnsucht nach Kontrolle in unsicheren Zeiten. Gleichzeitig beobachteten sie eine Rückkehr zum Analogen: Vinyl-Schallplatten und gedruckte Bücher erlebten eine Renaissance. Dahinter stecet das Bedürfnis nach Haptik und Authentizität. Gutjahr und Knüver zogen Parallelen zwischen Popkultur, Sport und Religion: Rituale, Gemeinschaft und Identifikation seien die eigentlichen Erfolgsfaktoren moderner Medien. Ihr Fazit: Während 2010 um die Aufmerksamkeit des Users („Attention“) im Mittelpunkt stand, und 2020 das Engagement („Engagement“), werde es im kommenden Jahrzehnt vor allem um das Vertrauen („Trust“) gehen.

Wie sich Werte und Konsum verändern, zeigte das Panel „Purpose, Performance, Zuversicht“. Diskutiert wurde, dass jeder Werbe-Euro entweder zur Vielfalt beitrage, oder diese schwäche. KonsumentInnen wünschten sich laut einer vorgestellten Studie mehr Glaubwürdigkeit. Klassische Leitplanken wie Religion, Umwelt, Selbstverwirklichung und Kinder haben hätten an Zustimmung eingebüßt. Trends wie unverpackt einkaufen und der Verzicht auf Plastiktüten hätten an Bedeutung verloren, während gleichzeitig die Nachfrage nach veganen Fleischprodukten um 28 Prozent und die nach Bioprodukten um 15 Prozent gestiegen sei. Insgesamt wünschten sich 80 % der Konsument*innen eine glaubwürdigere Kommunikation von den Marken.

Der Medienberater Michael Praetorius begeisterte in dem Workshop „KI im Studio“ mit einer Live-Demonstration künstlicher Intelligenz im täglichen Einsatz. Er stellte Methoden zum Reverse-Promtping vor und zeigte wie sich mit Hilfe von Tools wie Suno AI, Eleven Labs und Adobe Podcast Stimmen verändern und Texte in beliebig vorher gedrehten Videos einem Moderator oder einer Moderatorin in den Mund legen lassen. Die Ergebnisse, die live in wenigen Minuten erzeugt wurden, waren beeindruckend. Bei aller Begeisterung für KI, die kreative Prozesse beschleunigen und Workflows erleichtern kann, hat er aber auch auf die Schattenseiten dieser Technologie verwiesen und ethische Richtlinien, der sich letztlich jeder in seiner journalistischen Tätigkeit stellen muss.

 

Filmindustrie

Eines der lebendigsten Panels war das Forum der Filmwirtschaft mit Vertreterinnen und Vertretern der Bavaria Studios, Constantin Film, Sky Deutschland und der Produzentenallianz. Diskutiert wurde die Zukunft fiktionaler Produktionen. Der Vertreter von Sky begründete die Entscheidung, sich aus der Eigenproduktion fiktionaler Inhalte zurückzuziehen, weil sie sich nicht rechnen würden. Stattdessen wolle man sich auf die Produktion von nicht-fiktionalen Stoffen konzentrieren. Die Bavaria Studios hingegen betonten ihre Vielseitigkeit: Nur durch die Mischung aus fiktionalen, nicht-fiktionalen, Branded Entertainment und Dienstleistungen für Werbeproduktionen sei man für die Zukunft gut aufgestellt. Der Vertreter von Constantin Film verwies darauf, wie schwierig die Produktionslandschaft zur Zeit sei und dass sie besonders stolz auf Bully Herbig’s „Das Kanu des Manitu“ seien, der inzwischen 4,7 Millionen Kinotickets erreicht habe.

 

Künstliche Intelligenz

Auf dem AI Summit sorgte die Journalistin Karen Hao mit einer leidenschaftlichen Rede für Aufsehen. Sie warnte vor den „Empires of AI“ – globalen Tech-konzernen, die nicht nur Inhalte monopolisieren, sondern auch Kontrolle über Informationen ausüben. Besonders drastisch waren ihre Beispiele aus Kenia, wo Menschen Inhalte für große Firmen moderieren müssen- oft unter psychisch belastenden Bedingungen.

Hao machte zudem auf den enormen Ressourcenverbrauch von Serverfarmen aufmerksam: In einigen Regionen konkurrierten Rechenzentren bereits mit der Bevölkerung um Wasser und Energie. Sie erwähnte, dass nur etwa drei Prozent der Nutzer tatsächlich bereit seien, für KI Dienste wie ChatGPT zu zahlen und warnte vor dem Crash einer möglichen „AI-Blase“.
Marie Kilg von der Deutschen Welle zeigte, betonte hingegen die Möglichkeiten, die in der verantwortungsvollen Nutzung von KI steckten. Sie zeigte, wie ihr Haus KI-Lösungen nutzt, ohne sich an einzelne Anbieter zu binden – mit offenen Standards und internen Servern zur Sicherung der Datensouveränität.

Besonders praxisnah stellte sich das neu gegründete KI-Kompetenzzentrum Bayern vor. Das Zentrum bietet kostenlose Unterstützung bei der Entwicklung von KI-Lösungen, stellt Programmierer zur Verfügung und testet Anwendungen auf abgeschlossenen Servern, um Datensicherheit zu garantieren. Der Code der Projekte wird anschließend öffentlich in einem Repository bereitgestellt - ein offenes Modell, das kleineren Firmen den Einstieg in KI erleichtern soll.

 

VR, AR, XR

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Zum Abschluss der Medientage warf René Kasperek im Panel „XR & KI – Brave New Glass Age?“ einen Blick in die Zukunft erweiterten Realität mittels AR-Brillen. Augmented- und Mixed-Reality-Anwendungen könnten, so seine Einschätzung, in den kommenden Jahren eine wachsende Bedeutung spielen. Besonders spannend sei die Kombination von immersiven Formaten mit generativer KI – ein Bereich, der gerade erst beginnt, sein Potenzial zu entfalten. Er verwies darauf, dass mit den Brillen, Daten in einer Art und Weise über die reale Welt gesammelt werden könnten, die den Tech-Konzernen bisher noch nicht zur Verfügung standen. Dabei würde sich massiv die Frage nach Datensicherheit ergeben. Bezeichnenderweise, so sagte er, seien in den kürzlichen Keynotes von Galaxy und Meta die Begriffe Privacy, Security, Encryption and Data Protection nicht ein einziges Mal verwendet worden.

In Summe prägten die Medientage 2025 drei Leitmotive: erstens die Macht und Marktmacht großer Tech-Anbieter, zweitens die disruptive Rolle von KI in der Medienproduktion und -distribution, und drittens die Suche nach Strategien für Medienhäuser, die mit sinkenden Einnahmen und wachsender Konkurrenz durch Plattformen konfrontiert sind.

 

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