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Nagra IV

Die Nagra 4 L - jahrzehntelang ein Synonym für professionellen Location-Ton

 

Meisterin der mobilen analogen Tonaufnahme

Wer sich heutige professionelle Location-Soundrekorder einmal genauer anschaut, wird eine bestimmte Systematik hinsichtlich des Aufbaus, der Verteilung von Ein,- und Ausgangsbuchsen, der Aussteuerung, der Pegelkontrolle usw. bis hin zu modularen Erweiterungsmöglichkeiten feststellen können. Die eigentliche Konzeptionsleistung liegt allerdings viel weiter zurück, als die jeweiligen Releases der aktuellen Hersteller heutiger Geräte.

In den ersten Jahrzehnten des Tonfilms waren die Geräte zur Aufzeichnung so groß und schwer, dass sie für Außenaufnahmen in Lkw eingebaut wurden. Sie wurden in der Nähe des Drehortes geparkt, die Kabel für die Mikrofone mussten lang sein, um bis zu den Schauspielern zu reichen. Damit war man in etwa so flexibel wie mit heutigen Ü-Wägen. Drehen mit Handkamera und Originalton war lange Jahre völlig undenkbar, dies prägte den Look und die Gestaltung der Filme bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein.

Erst ab den Fünfziger und Sechziger Jahren baute der polnische Ingenieur Kudelski ein vergleichsweise handliches Gerät, welches statt mit Röhren, mit den frühen Transistoren arbeitete und statt Federwerk mit präzisen Gleichstrommotoren eine ungleich größere Freiheit am Drehort ermöglichte. Das Gerät nannte er NAGRA und dieser Name steht bis heute für hochwertige, transportable Tonaufnahmegeräte.

Zugleich entwickelten Firmen wie Eclair oder Aaton, kleine handliche und zugleich leise (selbstgeblimpte [von Werk aus schallgeschützte]) 16mm-Kameras, mit denen Aufnahmen nach ganz anderen Gesetzmäßigkeiten als bisher möglich waren. Man konnte in engen Gassen, Geschäften, Fußgängerzonen, einfach überall drehen, wo man wollte. Techniken, welche das Direct Cinéma oder die Nouvelle Vague eigentlich erst möglich machten. Und überall dabei natürliche dieses ungewöhnlich kompakte und technisch hervorragende Tonbandgerät, welches in der Schweiz produziert wurde: die Nagra.

Nagra

So sah sie aus, die Ur-Nagra (Nagra III) von 1963: links und rechts seitlich die Ein- und Ausgänge, vorne Aussteuerungsinstrument, Pegelregler und Transportschalter, oben die Tonköpfe und die Tonbandspulen. Der verschließbare Deckel brachte zusätzliche Schallabschirmung von Laufgeräuschen und ermöglichte es, das Gerät am Tragegurt oder in der Ledertasche über die Schulter zu hängen und so zu betreiben.

 

Technik

Sie kann 13cm-Tobandspulen (Viertelzoll) verwenden und eine Spule reicht etwa 20 Minuten. Das Ein- und Auslegen war recht einfach und für den schnellen Wechsel am Drehort konzipiert. Die Spulen werden von Rändelmuttern gehalten, damit man das Gerät auch hängend (am Schultergurt) betreiben kann. Hat man das Band gewechselt und will weiter aufnehmen, drehen sich die Muttern, wenn das Band läuft, selbst auf die Spulen. Sie kann mit Batterien (oder Akkus) betrieben werden. Eine der Besonderheiten der Nagra war und ist ihre Robustheit. Eine weitere der Einsatz moderner Synchrontechniken. In den 60er Jahren bis in die 90er gab es das Pilotverfahren (Neopilot), heute verwendet man auch Timecode.

 

Ebenfalls aus der Schweiz stammte die stärkste Konkurrenz der Nagra, die Stellavox, welche noch kompakter war als ihr Vorbild.

 

Pilotverfahren

Unter dem Kunststoffdeckel laufen die 13-cm Spulen leise und zuverlässig. Sie erlauben etwa 20 Minuten Aufnahmedauer

Unter dem Kunststoffdeckel laufen die 13cm-Spulen leise und zuverlässig. Sie erlauben etwa 20 Minuten Aufnahmedauer.

 

Beim Pilotverfahren, einer Art analogem Vorläufer des Timecodes, wurde gleichzeitig mit den Tonsignalen auch eine Information aufgezeichnet, mit welcher Geschwindigkeit die Kamera während der Aufnahme lief. Dies geschah am Anfang über eine Kabelverbindung zwischen Kamera und Nagra. Wurde beim Überspielen auf Perfoband - auch Magnetfilm genannt - die Nagra mit gleicher Geschwindigkeit gesteuert, stimmte das Perfoband (jahrzehntelang notwendig, um am Schneidetisch Ton und Bild gemeinsam bearbeiten zu können) exakt mit dem Bild überein.

Später wurden Quarzgeneratoren in Kameras und die Nagra eingebaut, die eine gleichbleibende präzise Geschwindigkeit sicherstellten. Dadurch konnte die Kabelverbindung zwischen Kamera und Nagra entfallen. In den achtziger Jahren kamen auch Nagras in Gebrauch, die den Timecode aufzeichneten. Doch das Pilotverfahren (Quarz) ist bis heute weit verbreitet.

 

Nagra IV

Die Idee, Eingänge auf die eine Seite und Ausgänge auf die andere Seite des Gerätes anzuordnen findet sich bis heute bei professionellen Rekordern vieler Hersteller wieder

 

Später gab es von Kudelski Geräte, die digital aufzeichnen, erst auf Magnetband oder später auf Speicherkarten. Aber die klassische, analoge NAGRA begegnete einem bis Ende des letzten Jahrhunderts noch oft an Drehorten in der ganzen Welt. Vom Polarkreis bis in die Tropen versahen diese Legenden der Filmtechnik ihren Dienst und haben so dazu beigetragen, akustische Ereignisse aus den entferntesten Regionen der Welt für uns erfahrbar zu machen.

Die wohl am häufigsten bei Kinofilmen eingesetze Nagra war die 4er Reihe, also die Nagra 4, die Nagra 4 L die Nagra 4-2 und die Nagra 4 D.  Diese Recorder konnten mit drei Geschwindigkeiten, 38, 19 und 9,5 cm/s im NAB- oder CCIR-Standard aufnehmen und abspielen. Es gab wwei Mikrofoneingänge, die wahlweise dynamisch, mit Tonader - oder Phantomspeisung (48 V) versorgt werden konnten. Außerdem gab es einen direkten Mischereingang, sowie einen 1,55 V symmetrischen Line-Ausgang. Die Nagra 4 besaß getrennte Aufnahme- und Wiedergabeköpfe wodurch die sogenannte Hinterbandkontrolle möglich wurde. Außerdem gab es Hochpassfilter für die Aufnahme sowie eine optionale automatische Pegelregelung und -begrenzung.

Beeindruckend bleibt, wie sehr Sound Devices, Zoom & Co dem alten Design von Kudelski grundsätzlich weiter folgen, nicht nur aus Respekt vor der Ingenieursleistung sondern auch in Fortsetzung einer langen Tradition der Location-Tonaufnahme.

 

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