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Gimbal

Sie stabilisieren die Kamera durch Sensoren und Steuermotoren

 

Wie so oft werden technische Entwicklungen in einem Bereich auch in anderen Bereichen sinnvoll nutzbar. Die Steuerungen, die man für die Entwicklung von Drohnen benötigte, helfen auch normale, handgeführte Kamerafahrten zu stabilisieren. Wie funktionieren die Geräte und worauf ist zu achten?

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet jene Tools, die der klassischen Steadicam am ehesten nahekommen, als Eigennamen die Bezeichnung der kardanischen Aufhängung am oberen Ende des Federarms auf dem der sogenannte Post der Steadicam schwebend gelagert wird, als Eigennamen benutzen: Gimbal

Eine kardanische Aufhängung kombiniert zwei in rechtem Winkel zueinander angeordnete zumeist Kugellager, die Bewegungen eines darin oder daran befestigten Objektes in alle Richtungen erlauben. Je nach Schwerpunkt des Objektes kann die Lagerung dazu führen, dass das Objekt immer senkrecht bleibt, auch wenn die Umgebung anders gelagert ist. Der Getränkehalter im Auto oder die Befestigung vom Schiffskompass folgen diesem Prinzip.

 

Gimbal an einer Steadicam

Der Begriff Gimbal wurde erstmals in Zusammenhang mit Kameraufnahmen von Garret Brown bei seiner Steadicam verwendet, hier im Bild ist der Gimbal deutlich gekennzeichnet

Seit geraumer Zeit sind Kamerastabilisatoren auf dem Markt, die es, ohne die aufwändigen Trainings der Steadicam-Operateure und ohne das erhebliche Gewicht erlauben, ruhige Fahrten an Filmsets zu drehen. Doch ganz so einfach und problemfrei sind auch die Systeme nicht. Wir schauen einmal genauer hin.

 

Verwechselungsgefahr: Gyro-Stabilisatoren

Relativ einfach und ohne aufwändige Mess,- und Steuerungslogik sind die Gyro-Stabilisatoren (z.B. von der Firma Kenyon), bei denen rotierende Massen wie im Innern eines Brummkreisels oder in manchen Schiffen (Kreiselstabilisatoren) für die ruhige Bildlage sorgen. Diese sehen ein wenig wie Eier aus und sind allerdings schwer und laut.

Durch das hohe Gewicht eignen sie sich eher für Fahrzeuge oder Hubschrauber. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Motoren erst auf die notwendige Geschwindigkeit der Rotation hochlaufen müssen, was gerne mal fünf Minuten dauern kann.

 

Gimbal-Stabilisatoren

Die modernen Konkurrenten der Steadicam benutzen sowohl kardanische Aufhängungen als auch hochpräzise Stellmotoren. Die Kamera wird dabei nicht an drehbaren Lagern, sondern an den Achsen von hochpräzisen Elektromotoren (Bürstenlos/Brushless) befestigt. Sensoren messen Lage und Bewegungen der Kamera und berechnen diese in einer so genannten IMU. So etwas ähnliches besitzen übrigens auch Drohnen um den Flug gegen Wind und sonstige Widrigkeiten zu stabilisieren.

Veränderungen der Kameraposition werden von den Sensoren in Echtzeit an diese IMU gemeldet und von einem Microprozessor, der so genannten GCU (Gimbal Control Unit) genutzt, um mit den Motoren entgegen zu steuern. Diese reagieren so schnell und so fein, dass man die Justierungen nicht mehr bemerkt.

 

Justage

Gimbal

Statt an kardanischen Gelenken sind die Kameras an Achsen von Motoren aufgehängt

 

Damit der Gimbal seine Arbeit sinnvoll erledigen kann, muss die Kamera im System perfekt ausbalanciert sein. Das bedeutet, dass die Kamera, ähnlich wie bei der Steadicam auf ihrer Basisplatte, genau so verschoben werden muss, dass der Schwerpunkt genau mittig ist. Das ist wichtig, denn die Kamera muss ohne Aktion der Motoren (Nullstellung) ausbalanciert sein. Die Motoren sollen nur dann arbeiten müssen, wenn die Kamera außerhalb dieser perfekten Balance zu geraten droht. Deshalb sollte man an dieser Stelle nicht nachlässig sein und sich die Zeit nehmen, die Kamera optimal zu justieren.

Da es höchst unterschiedliche Kameras gibt, sind auch die Gimbals für unterschiedliche Kameratypen und deren Gewicht und Schwerpunkt optimiert

 

Feinheiten

Zwei oder mehr Achsen bürstenlose Stabilisatoren können hervorragend viele Aufgaben übernehmen, die man bisher der Steadicam überlassen musste. Der technische Aufwand steigt natürlich mit der Zahl der Achsen, die stabilisiert werden. Eine oder zwei Achsen sind Mindestmaß, aber eine perfekte Stabilisierung wird nur bei drei Achsen (3D Gimbal) und mehr möglich.

 

Schwenks und Ausrichtung

Ähnlich wie bei der Steadicam sind die einzelnen Shots individueller, nuancenreicher als etwas Schienen,- oder Sliderfahrten. Jede Aufnahme ist ein wenig anders, doch das kann ja gerade ein Reiz sein.

Wenn denn die Kamera schon mal an einem solchen System mit mehreren Präzisionsmotoren aufgehängt ist, lassen sich diese Motoren natürlich auch gleichzeitig nutzen, um die Ausrichtung des Kamerawinkels vorzunehmen bzw. Schwenks zu ermöglichen. Dies wird natürlich nicht vom Microprozessor des Gimbals, sondern per Fernsteuerung von einem Assistenten/ einer Assistentin vorgenommen. Auch hier sind Steuerungsmöglichkeiten in einer, zwei oder drei Richtungen möglich, die teureren Modelle bieten hier in der Regel mehr, die preiswerteren weniger Optionen an.

 

Typische Vertreter

DJI Ronin

Es erstaunt kaum, dass ein führender Drohnenhersteller auch bei den handgeführten Gimbals Zeichen setzt... (Pressefoto DJI Ronin)

Die Preise der hochwertigeren Gimbals beginnen ungefähr bei 1300,- € und gehen auch gerne bis über 10.000,-€ rauf, während die einfacheren Amateurvarianten bei ca. 300,- € beginnen.

 

Größere Gimbals:

Dji Ronin, FREEFLY MOVI M15, Letus35 Helix Jr, CAME-TV CAME-8000, TURBO ACE AllSteady Motion, Varavon Birdycam,

 

Low-Cost Varianten:

Für ambitionierte Amateure gibt es auch kleine Handheld Versionen, wie etwa DJI Osmo für die Zenmuse X3-X5 Kameras, Gudsen Moza Air oder der Lanparte HHG 01 für Handykameras.

 

Sinn und Unsinn von Kamerafahrten

Natürlich gelten von der Bildgestaltung her die gleichen alten Regeln. Je kürzer die Brennweite, desto ruhiger werden die Aufnahmen. Weitwinkel sind da klar im Vorteil, mit sehr guten Gimbals kann man aber auch Fahrten beispielsweise mit 70mm Brennweite (bezogen auf Vollformat Sensoren) realisieren, die sehr gut aussehen.

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Beginn und Ende jeder Fahrt eine Art Akzent setzen und dass Fahrten im Idealfall eine Motivation haben sollten. Die bloße Möglichkeit, ruhig mit der Kamera fahren zu können, ist noch kein Grund dafür, es auch zu tun. Fahrten aus Selbstzweck können erzählerisch sogar schaden, deshalb sollte man immer genau wissen, warum man fährt. Außerdem nutzt sich der Effekt einer beeindruckenden Kamerafahrt schnell ab, wenn ständig gefahren wird, ein Problem, welches man auch mit Steadicam-Filmen erleben kann. Gerade der Wechsel zwischen verschiedenen erzählerischen Formen der Bildgestaltung erzeugt spannendere Filme.

 

Unterschiede

Natürlich fehlt einem Gimbal so etwas wie ein Federarm, um größere Erschütterungen in der Vertikalen abzufangen. Dies ist eine der Schwachstellen eines Gimbal-Stabilisators. Außerdem hat die Stabilisierung eine gewisse Trägkeit. Benötigt man schnelle Schwenks und Richtungswechsel, so ist die Steadicam ebenfalls deutlich überlegen.

Für Operatoren ist es keine einfache Aufgabe, Gimbal plus Kameragewicht über längere Phasen zu tragen. Die Hebelwirkung lässt das reale Gewicht noch viel stärker auf Arme, Schultern und Wirbelsäule einwirken. Die Arme ermüden deshalb sehr schnell, ein Umstand, den die Produkthersteller recht gerne verschweigen. Deshalb bieten sich Kombinationen etwa mit einem Easy Rig theoretisch an um Langzeit-Schäden beim Operateur zu vermeiden. Leider schränkt so eine Aufhängung aber auch die Fähigkeiten des Gimbals erheblich ein, weshalb viele darauf verzichten.

Gängige Produkte wie Movi, Ronin oder Aputure sind für sich genommen bereits extrem gewichtsoptimiert, doch wie gesagt, bereits die Hebelwirkung macht es schwierig, die Stabilisatoren länger zu halten. Das bedeutet nicht nur Einschränkungen für längere Einstellungen, sondern ist auch von Bedeutung für die Pausen des Operateurs zwischen derartigen Takes.

Nicht nur wegen der Hebelwirkung, sondern grundsätzlich für eine ruhige Kameraführung ist es wichtig, den Gimbal nah am Körper zu halten.

 

Training

Um absolut ruhige Fahrten hinzubekommen, muss man auch seine eigenen Bewegungsabläufe optimieren. Dazu gehört auch, dass man falls man etwas schwerere Systeme bedienen möchte, seine Armmuskulatur kräftigt. Hanteln in einem Gewichtsbereich um die 10 KG sind da empfohlen. Mit Gimbal, Kamera, Akku und vielleicht einem Zoomobjektiv kommt da nämlich einiges zusammen und wenn man das System einige Minuten am Stück halten muss, spürt man das Gewicht schnell.

Es beginnt schon damit, dass man den Gimbal richtig halten muss. Dabei spielt natürlich das Design des Gimbals und die Anordnung der Taster eine große Rolle. Die meisten haben unten einen zentralen Griff unterhalb des Gerätes. Die kräftigere Hand sollte den Griff ganz oben halten, bei Rechtshändern also die rechte Hand, bei Linkshändern die linke Hand. Die zweite Hand hält dann das zu einem Griff zusammengeklappte Tischstativ unterhalb des Griffs. Andere Gimbals, die links und rechts Griffe haben, werden entsprechend an diesen gehalten.

Das Ganze hält man dann mit angewinkelten Armen wie ein Scharnier, die Ellenbogen nah am Körper. Der Körper sollte die grundlegenden Bewegungen mitmachen. Wenn man also einen Schwenk machen möchte, dann biegt man nicht die Arme herum, sondern der ganze Körper sollte sich in der Schwenkrichtung bewegen.

Für Fahrten sollte man sich möglichst ruhig vorwärts oder rückwärts bewegen. Man sollte mit leicht gebeugten Knien gehen, weiche Bewegungen machen und mit dem Körper bereits einen Teil der Stabilierungsarbeit leisten. Am Anfang hilft es zum Trainieren, wenn man das Ganze im Lock-Modus macht, dabei werden alle Achsen blockiert und der Gimbal bleibt in einer festen Position. Dann fixiert man mit seinem Blick den Punkt an, auf den man zufahren möchte und geht möglichst sanft und in einer geraden Linie auf diesen Punkt zu.

Um Schwenks zu üben, schaltet man in den Follow Modus um und bewegt seinen Körper samt Gimbal möglichst ruhig in der gewünschten Richtung. Eine vertikale Schwenkbewegung geht dann einher mit einem Beugen oder Heben des Oberkörpers, bei einem horizontalen Schwenk dreht man den Körper langsam in der gewünschten Richtung. Man überträgt quasi die Körperbewegung auf den Gimbal, so dass dieser wie eine Ergänzung des Körpers reagiert.

 

Personalfragen...

Und was ebenfalls gerne übersehen wird, man benötigt für die sorgfältige Kameraarbeit mehrere Personen, die die Kamera bedienen. Ähnlich der Steadicam ist ein Schärfeassi erforderlich um per Funkschärfe die Schauspieler im Focus zu halten. Die Autofokus-Modes von Mirroless Kameras können diese Aufgabe nur in gewissen Grenzen automatisieren. Darüber hinaus wird sogar eine weitere Person neben dem Operateur des Gimbals benötigt, um ferngesteuert Schwenks zu steuern. Wenn man die Aufhängung samt Kamera hält kann man nicht gleichzeitig eine Fernbedienung für Neigung und Schwenks bedienen. Damit benötigt man sogar mehr Personal als bei einer Steadicam. Manche Funktionen können, wenn die Tasten an den Griffen gut durchdacht sind und man die Bewegungen gut plant, auch vom Operator selbst gesteuert werden.

Das entfällt natürlich, wenn man keine Veränderungen des Bildwinkels und der Schärfe benötigt. Für Voraus,- oder Nebenherfahrten bei Autofahrten mit gleichbleibendem Abstand zum "Spielfahrzeug" kann man also durchaus auch alleine sehr gute Ergebnisse erzielen.

Gimbals sind also eine sehr spannende Möglichkeit der Bildstabilisierung, allerdings sollte man ihre Möglichkeiten und Grenzen kennen und abwägen, wo sie sinnvoll zum Einsatz kommen. Dass sie die Steadicam vollständig ersetzen können gehört eher in das Reich der Märchen,- sie sind eine starke Alternative, die man sich auf jeden Fall einmal genauer anschauen sollte. In vielen Situationen können sie Teile der Möglichkeiten einer Steadicam abdecken.

 

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