Vor fünf Jahren wurde das Mahnmal für die Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus eröffnet. Aktivisten, die sich für die Rechte der Sinti und Roma einsetzten, kämpften lange um kleine Erfolge. Es geht um die größte Minderheit Europas. Da sollte man meinen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, ihre Belange mit ihren Vertretern auf Augenhöhe zu verhandeln.
Allerdings wird immer noch über die ethnische Gruppe gesprochen und nicht mit ihr. Und wenn sie Thema ist, dann viel zu häufig noch als Objekt von Fremdenhass, als fiktiver Feind einer fiktiven Volksgruppe. Wo ansetzen bei so viel Nachhilfebedarf?
Das Roma-Filmfestival Ake Dikhea? („Siehst du?“) legt nahe, zunächst mal das große, politische Ganze zu vergessen und Menschen kennen zu lernen. In Einzelschicksalen ist es begreiflich, was es bedeutet Roma zu sein. Die Filme wurden vorgeschlagen von Roma-Communities aus ganz Europa. Sie waren aufgefordert, Filme zu benennen, von denen sie sich richtig repräsentiert fühlen. In der Jury sitzen mit Hamze Bytyci und Damien Le Bas Roma, die auch für die Filmauswahl verantwortlich zeichnen.
Bytyci ist gleichzeitig Direktor des Festivals. Er engagiert sich seit Jahren als Aktivist, Performer und Filmemacher. 1990 schon musste er im Kirchenasyl in Tübingen darum kämpfen, dass seine aus dem Kosovo geflohene Familie in Deutschland bleiben durfte. Ihm kann das Festival eine Bestätigung in seinem Schaffen sein: durch das Interesse des Publikums an den Filmen und dem Rahmenprogramm.
An vier Tagen werden 10 Filme gezeigt. Die meisten sind dokumentarisch und lang. Dabei ist etwa Toto and his sisters, der sogar in Cannes Preise gewann und in dem das Leben eines Jungen in einem Bukarester Vorort, geprägt von Drogen und Kriminalität, dargestellt wird. Das Genre-Spektrum reicht vom Drama zu leichterer Kost. In Men with Balls bekommt der Bürgermeister eines ungarischen Dorfs Fördermittel um einen Tennisplatz zu bauen. Die Anwohner sind zunächst enthusiastisch. Doch peu à peu schälen sich die grundlegenden Probleme des Dorfes wieder heraus.
Für die Leser von movie-college.de besonders interessant sind wohl die beiden angebotenen Workshops. In Schau durch meine Augen werden Jugendlichen von 16 bis 20 Jahren die Grundlagen des Filmemachens vermittelt. Der zweite Workshop, Avoiding simples stories, ist filmtheoretischer Natur und behandelt die Repräsentation von Roma in Filmen. Letzterer findet auf Englisch statt und kostet 20€. Im Anschluss an beide können die Teilnehmer kostenfrei Toto and his sisters im Kino anschauen.
www.roma-filmfestival.com
Berlin, 19. - 22.10.2017
Screenings im Moviemento Kino, Kottbusser Damm 22
Workshops im Aufbauhaus, Prinzenstraße 84