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Cutter Schnittplatz 3 4000

Computerschnittplatz

 

Schnittarbeit

Bis Ende der Achtziger Jahre wurden Filme ausschließlich an so genannten Flachbett-Schneidetischen oder in den USA an Moviolas geschnitten. Man arbeitete mit analogen Filmkopien, so genannten Filmmustern, die durchaus auch mechanischer Belastung beim Schneiden ausgesetzt waren. Manchmal so sehr, dass die Perdoration repariert werden musste oder man bestimmte Einstellungen sogar im Kopierwerk nachbestellen musste. Dafür hatte man aber den Vorteil, dass man kein elektronisches Bild, sondern eine echte Filmkopie, wie sie auch später durch den Filmprojektor im Kino laufen würde, auf dem Bildschirm zur Bearbeitung ansehen konnte.

 

Klassisch

Vom Filmnegativ wurden Arbeitskopien gefertigt, von den Schmalbändern mit dem Originalton Perfobänder angefertigt, beides synchron gelegt und dann geschnitten. Einzelne Einstellungen hingen zum bearbeiten als Bild und Perfoton am Galgen; wollte man eine Einstellung verlängern, hängte man ein paar Felder Bild oder Perfoton hinzu, wollte man sie kürzen, schnitt man entsprechend viele Bilder und Perfoband ab. Probierte man zuviel an einer Schnittstelle herum, ließen sich die Einzelbilder kaum mehr gerade mit Klebeband aneinander fügen und machten beim Durchlauf am Schneidetischprisma einen unschönen Hüpfer. So hangelte man sich mehr oder weniger chronologisch durch den ganzen Film, sortierte jeweils das Material für eine oder zwei Szenen an die Filmgalgen, von denen man zwei oder drei im Schneideraum hatte.

 

Filmgalgen

Filmgalgen mit 16mm-Ausschnitten

 

Filmgalgen waren mit Samt ausgeschlagene, rollbare Kästen, über denen man an mehreren Querstreben an Stahlnadeln Film- und Tonstreifen aufhängen kann. Die abgerollten Filmstreifen liegen dabei lose im Samtkasten. Mehr ging nicht. Um einen ganzen Film „griffbereit“ zu haben, wären wohl an die 100 Galgen erforderlich gewesen, die allein hätten einen mittleren Saal gefüllt. Grundsätzliche Veränderungen des Schnittaufbaus überlegte man sich sehr gründlich, denn das bedeutete unweigerlich, die bisherige Fassung zu zerstören. Schließlich verwendete man die in der aktuellen Schnittfassung verwendeten Filmmuster und Perfotöne auch für die neue Schnittfassung.

 

Palastrevolution

Ja, und dann kamen 1989 erste Systeme auf den Markt, die ein gänzlich anderes Konzept vorstellten. Der Film sollte nicht mehr am Schneidetisch, sondern an einem Computer geschnitten werden. Die Botschaft: Keine Filmdosen mehr im Schneideraum, keine Galgen, sofortiger Zugriff auf alle Einstellungen, keine Schnipsel am Boden oder Scheu vor dem Umschneiden. Einer der Pioniere auf diesem Gebiet war die Firma Avid, die auch heute noch Synonym für den Schnitt am Computer ist, auch wenn es inzwischen diverse Mitanbieter gibt, deren Produkte genau so hochwertig sind. Um die ersten Systeme angesichts der damals noch exorbitant hohen Festplattenpreise noch halbwegs bezahlbar zu halten, wurden die vom Filmnegativ gefertigten Abtastungen (Videos) beim Einlesen in den Computer (digitalisieren) enorm komprimiert. Die Bildqualität war sehr reduziert und über Jahre hinaus brachten die jeweiligen Software-Updates vor allem eine Verbesserung der Datenraten und damit der Bildqualität mit sich.Dieser Schnitt mit Videodaten, die deutlich in der Qualität reduziert sind, nennt man Non-Linear Editing, wenn der Schnitt fertig war, wurde in hoher Auflösung automatisch oder halbautomatisch nachgeschnitten.

Inzwischen ist es gar kein Thema mehr, HDTV in voller Auflösung am Computerschnittplatz zu bearbeiten. Mit schnellen Systemen kann auch 4K oder 8K in voller Auflösung geschnitten werden. Falls die Dateien dennoch für den Rechner zu groß sind, arbeitet man mit Proxies,- also auch Non-Linear, wobei das Schnittprogramm gleichzeitig auch die hochaufgelösten Videodateien parallel in der Timeline hält. Rechnergestützter Filmschnitt stellt heute die Regel dar und preiswerte Lösungen haben das Prinzip auch außerhalb des Profilagers populär gemacht.

 

Offene Fragen

Hauptvorteile waren der schnelle Zugriff auf sämtlichen eindigitalisierten Bild- und Tonelemente sowie die leichte Kombinierbarkeit und die Möglichkeit, verschiedene Fassungen parallel zu speichern. Kann ein System, das so viele Vorteile bietet, überhaupt Nachteile haben? Kann es! Denn mit den Möglichkeiten wuchs auch die Komplexität der Bedienung und der ständige Zwang, Aktualisierungen der Technik kontinuierlich zu erlernen. Cutter am klassischen Schneidetisch, die wenn sie das mechanische Schneiden erst einmal beherrschten, konnten ihre ganze Aufmerksamkeit der Gestaltung widmen. Während ihres Berufslebens sammelten sie vor allem mehr Wissen über Dramaturgie, Bildsprache und Aufbau. Heute gilt es, komplexe Schnittprogramme zu erlernen, Shortcuts und Befehlsketten zu behalten und permanent Neuerungen in den Softwarereleases nachzulernen. Auf diese Weise geht viel Energie und Aufmerksamkeit für die Beherrschung der Software verloren. Inzwischen gibt es sogar zahlreiche Computer-Cutter, die eigentlich nur Programme bedienen können, aber nur wenig oder gar nichts über den Aufbau eines Filmes wissen. Diesen Umstand möchte so recht keiner wahrhaben, doch ein Schnittprogramm zu beherrschen, bedeutet noch lange nicht, auch Filme schneiden zu können.

 

Veränderung der Schnittästhetik

Die vielen Möglichkeiten, Bildkombinationen am Bildschirm zu simulieren, Blenden und Effekte zu erproben und auch ohne Sorge um die mechanische Belastung von „Klebestellen“ selbst kürzeste Schnitte aneinanderreihen zu können, haben die Ästhetik des Schnitts einschneidend verändert. Wir wollen an dieser Stelle keine qualitative Bewertung dieser Veränderungen vornehmen. Wissenschaftliche Untersuchungen der Baylor University ergaben, dass die durchschnittliche Länge von Einstellungen in Filmen, die non-linear geschnitten wurden, etwa 8 % kürzer ist als bei Filmen, die am Schneidetisch editiert wurden. Ferner stellte man fest, dass die Verwendung von Blenden und Überblendungen gegenüber klassischem Filmschnitt enorm zugenommen hat. Die Untersuchung überraschte vor allem in Bezug auf den Schnitt von Dialogszenen. Eigentlich hatte man erwartet, dass die Dialogszenen durch die größeren Möglichkeiten des Computerschnitts komplexer würden. Doch das Gegenteil war der Fall; die Komplexität der Dialogszenen war bei am Schneidetisch montierten Szenen um durchschnittlich 20 % höher. Die Zuschauer werden nicht ahnen, dass die Beschleunigung der Bildfolge oder die Verkürzung der Einstellungen sehr viel mit technischen Veränderungen im Schneideraum zu tun haben. Aber vielleicht spüren sie es, wann ein Cutter mit klassischer Schnitt-Erfahrung und dem Wissen um Bildsprache den Mouse-Button betätigt hat. Da sich mehr und mehr Cutter, die noch die klassische Bildsprache beherrschen, aus dem Markt zurückziehen, ist Eile geboten, Wege zu finden, dieses Wissen auch den Nachwuchscuttern weiterzugeben. Einen ziemlich umfassenden Eindruck vom non-linearen Editing vermitteln die deutschen Handbücher zum Avid Xpress und zum Media Composer, welche die Firma Avid zum kostenlosen Download bereitstellt.

 

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