Es war ein langer Weg, bis die Filmanalyse oder überhaupt das Nachdenken über den Film, neben vielen Verbalisierungen nach und nach immer mehr unterfüttert wurde durch das, was dem Medium am Nächsten kommt, nämlich bewegte Bilder. Lange Zeit hat man sie lediglich in Schriftform herumgereicht, hat die entsprechenden Standardwerke von Adorno, Krakauer und anderen Theoretikern gelesen und versucht, mit diesem Handwerkszeug eigene Zugänge zum Kino zu finden.
Ein erster Schritt waren sicherlich die DVDs aus denen besonders fleißige Theoretiker, Fans und Filmemacher Standfotos wichtiger Sequenzen exportierten und diese einzeln oder auch als Sequenzen zu ihren Texten und Analysen hinzufügten. Inzwischen sind wir bei Kompilationen, Zusammenschnitten, Zitaten und filmischen Essays angekommen, in denen Bildsprache, Tonelemente oder auch dramaturgische Systematiken zu unterschiedlichsten Fragestellungen publiziert werden.
Hier können nun endlich in idealer Weise Beobachtungen und Analysen augenfällig gemacht werden, die nicht nur für Filmwissenschaftler, sondern gerade auch für angehende Filmemacher sehr aufschlussreich sind.
Mirrors of Bergman from Criterion Collection on Vimeo.
Die neuen Möglichkeiten sind nicht immer nur schmeichelhaft für die Filmemacher, schließlich kann man auch hervorragend aufdecken, wer bei wem geklaut hat, wer welche Masche Film für Film immer wiederholt hat.
Man kann die kleinen oder größeren Gestaltungsgeheimnisse aufdecken, indem man Ausschnitte von zeitlich weit auseinanderliegenden Filmwerken unmittelbar nebeneinander montiert und auf diese Weise sichbar macht, was bisher verborgen blieb. Bis dahin war man auf Beobachtungen, Aufzeichnungen und vor allem eine hervorragende Kombinatorik der Betrachter angewiesen.
Wie so oft im Internet ist allerdings die Bandbreite hier sehr groß, zwischen beinahe wissenschaftlichen Analysen und banalsten Geschmacksbekundungen finden sich hier unzählige Beispiele, vor allem im amerikanischen Internet.
Hands of Bresson from kogonada on Vimeo.
Hierzulande verhindern in den meisten Fällen natürlich Urheberrechtsfragen eindeutig das freie Verwenden von Aussschnitten, in den USA werden diverse dieser Videoanalysen publiziert von Programmanbietern, die selbst Video,- oder Streamingrechte an den jeweiligen Filmen besitzen. Hier wird sich zeigen, ob das europäische Urheberrecht auch diesen neuen Ausdrucksformen gerecht wird oder ob es bei einer allzu engen, der technischen Entwicklung weitgehend fernen Rechtsprechung bleiben wird.
Aus diesem Grunde ist diese relativ junge Variante der theoretischen Auseinandersetzung mit Film weitgehend im englischsprachigen Raum anzutreffen.
Terrence Malick: The Art of Voiceover from Kevin B. Lee on Vimeo.
Einige der Video-Analysten haben es über die Jahre durchaus schon zu einem gewissen Bekanntheitsgrad gebracht, zu nennen wäre da etwa Tony Zhou, Kevin B. Lee oder der bereits verstorbene Filmkritiker Roger Ebert, in dessen Namen aber Kolleg-inn-en aktiv weiterposten.
Wolfram M. Schmitt geht mit seinen Analysen nicht immer konform mit dem Massengeschmack, doch das macht es umso interessanter, einen anderen Blick auf Kinoerfolge zu werfen...