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Menschen auf dem Münchner Marienplatz
Laut GDPR Verordnung muss Jeder auf diesem Bild um Erlaubnis gefragt werden, ob dieses Bild gespeichert und veröffentlicht werden darf...

 

Könnte es sein, dass die neue Datenschutzverordnung Nebenwirkungen hat, die Dreharbeiten nahezu unmöglich machen? Die nicht ganz unbegründete Angst geht um, dass in den europäischen Medien nichts mehr so sein wird, wie zuvor. Müssen Filmproduzenten jetzt zittern, Kreative ihre Bildsprache umstellen, Kameraleute völlig anders ihre Bilder komponieren, andere Kadragen machen?

 

Noch sind es vor allem die Daten-Kraken, die Internetkonzerne, die jahrzehntelang ungefragt Daten gesammelt und genutzt haben, die vordergründig von der neuen Regelung betroffen sind. Doch wie Medikamente, haben auch Gesetze nicht selten Nebenwirkungen und diesmal sieht es so aus, als wenn die Film,- und Medienbranche massiv betroffen sein könnte.

 

Eigentlich gut gemeint

So gut wie Jeder Internet-User erhielt Ende Mai 2018 Mails von Firmen, die gerne weiter ihre Werbebotschaften verschicken wollen, dafür aber wegen des Inkrafttretens der neuen Datenschutzverordnung in Europa explizit um Erlaubnis bitten müssen. Die Deadline bis zu der diese Abfrage einer Genehmigung geschehen musste, war der 25. Mai 2018, nach einer Übergangszeit von 2 Jahren. Und natürlich haben die allermeisten Unternehmen, so wie Schüler, die erst am Tag vor der Prüfung intensiv lernen, erst in den allerletzten Tagen der Frist tatsächlich reagiert.

 

Das ist grundsätzlich eine gute Vorgabe, welche viele Unternehmen entweder durch Mails mit der Annahme, man wolle weiterhin Werbemails etc. erhalten, falls man nicht explizit diesen widerspricht (wer will sich schon die Arbeit machen, sich durch zig Abmeldungen hindurch zu arbeiten), oder indem sie ihre Inhalte auf beliebten Seiten sperren und erst nach einem Klick, dass man mit Cookies und Datenerfassung einverstanden sei, freigeben.

 

Komplexer wird es für Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf dem uneingeschränkten Datenerfassen und vor allem Vermarkten (also dem Verkauf unserer Daten an Dritte) basiert. Man denke nur an Facebook, Amazon, Google & Co. Jahrzehntelang hat man die Methoden, User-Daten zu erfassen und damit viel Geld zu verdienen, immer weiter optimiert und plötzlich kommt da so ein europäisches Gesetz und macht vieles davon unmöglich.

 

Sie werden diese Einschränkungen letztlich ihrer Verdienstmöglichkeiten nur ungerne hinnehmen und vermutlich zwischen Europa und dem Rest der Welt Unterscheidungen in ihren Webangeboten vornehmen. Bereits am 25. Mai waren diverse US-Webseiten für Europäer gesperrt, vor allem aus Rechtsunsicherheit.

 

Die von den privaten Usern erfassten Daten werden bei manchen kommerziellen Webseiten mit Werbebannern von über zwanzig Ad-Partnern übernommen und genutzt, das geschah in der Vergangenheit nahezu verborgen, die neue Regelung verlangt nun eine gewisse Transparenz.

 

Vorauseilender Irrsinn

Nächtlicher Bahnhof

Aus Angst vor Bestrafung werden teilweise absurde Lösungswege gesucht, um die Welt, wie wir sie kennen, weiterhin filmen zu können.

 

Zuwiderhandlungen gegen die neue Direktive aus Brüssel können mit hohen Geldstrafen belegt werden. Bis zu vier Prozent eines Unternehmensgewinns können da als Strafe fällig werden. Genau dieser Umstand führt dazu, dass eine große Rechtsunsicherheit entstanden ist, was Film,- Video und Fotoaufnahmen angeht. Der Wahnsinn beginnt nämlich dort, wo das europäische Gesetz Formulierungen nicht genügend durchdacht und ausformuliert hat, dort, wo das, was seit mehr als einem Jahrhundert bei Filmaufnahmen rechtliche Grundlage war, plötzlich massiv in Frage gestellt wird.

 

Das GDPR regelt sehr streng die Erfassung und Speicherung von personenbezogenen Daten. Personenbezogene Daten sind allerdings auch Film,- und Fotoaufnahmen von Menschen und da wir diese so gut wie gar nicht mehr analog erstellen und in Filmbüchsen oder bei Fotos in irgendwelchen Ordnern mit Negativstreifen und Dias aufbewahren, sondern digital aufnehmen, müssen wir diese irgendwo speichern, in der Regel auf Festplatten. Und genau diese Speicherung wird nun von der neuen Verordnung unter sehr strenge Regeln gestellt.

 

Folgt man dieser neuen Verordnung, so muss "Jeder, von dem wir personenbezogene Daten speichern, seine Einwilligung dazu geben". Das muss man sich als Film,- und Medienschaffender noch einmal auf der Zunge zergehen lassen... "Jeder & Einwilligung".

 

Bisherige Regelung

Fussgängerzone München

Auch bisher gab es strenge, aber wenigstens praktikable, Lösungen für Aufnahmen von vielen Menschen

 

Auch bisher wurde das Persönlichkeitsrecht natürlich bei Aufnahmen von Menschen berücksichtigt, waren einzelne Menschen im Bild oder präsenter als eine diffuse Menschenmenge im Bild erkennbar, so brauchte man deren Einwilligung in die Veröffentlichung der Aufnahmen. Wer also in einem Dokumentar,- oder Spielfilm in der Realität, etwa an öffentlichen Plätzen gedreht hat und hinter den Protagonisten (Hauptdarsteller etc.) waren zahlreiche Passanten, musste diese nicht explizit um Erlaubnis fragen. Anders verhielt es sich, wenn etwa die Protagonisten in einem Café an einem Tisch saßen, dann musste man selbstverständlich die Erlaubnis von Menschen an Nebentischen einholen, die in der Aufnahme gut erkennbar zu sehen waren.

 

Es gab sogar vage Zahlenregelungen, die je nach Gerichtsbeschlüssen mal galten, oder auch nicht, etwa die Zahl 7, dass wenn mehr als sieben Menschen im Bildhintergrund in etwa gleicher Größe und nebensächlich zu sehen waren, galten diese als Gruppe/Masse und mussten nicht um Erlaubnis gefragt werden. Als Erlaubnis galt beispielsweise die schriftliche oder auf Video aufgezeichnete Zustimmung der jeweiligen aufgenommenen Personen, wie auch der Umstand, dass die Personen Geld für die Aufnahmen erhalten haben, wie es etwa bei Komparsen oder Models der Fall ist.

 

Ausnahmen von dieser alten Regelung waren öffentliche Veranstaltungen (Konzerte, Fußballspiele, Festumzüge, Demonstrationen), bei denen viele Menschen in den Aufnahmen zu sehen sind und nicht im Vordergrund stehen.

 

Bedrohung durch Nichtregelung ?

Da das GDPR in diesem Punkt keinerlei Regelung enthält, befürchten nun viele Medienschaffende, dass dies bei strenger Auslegung bedeutet, dass man etwa bei Aufnahmen in einer gut gefüllten Fußgängerzone, an Bahnhöfen, öffentlichen Plätzen etc. im Zweifelsfall von allen vielleicht hundert im Bildhintergrund sichtbaren Personen eine schriftliche Erlaubnis einholen müsste.

 

Schließlich werden die Aufnahmen ja digital gespeichert, lassen häufig das Alter, Geschlecht, die ethnische Herkunft der Personen erkennen und enthalten sogar in den Metadaten Informationen über den Standort, die Uhrzeit, das Datum ja sogar Temperaturen am Aufnahmeort. All dies sind, zusammen mit den erkennbaren Gesichtern, personenbezogene Daten. Im Zweifel von hunderten von Menschen. Ein Umstand, der Dreharbeiten und vor allem die spätere Bearbeitung der Aufnahmen praktisch unmöglich macht.

 

Denn laut GDPR dürfen personenbezogene Daten und als solche gelten bei Auslegung der Verordnung auch Film,- und Videoaufnahmen, nur verarbeitet werden, wenn der/die in einem Unternehmen für die Datensicherheit Zuständige die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung (Wir speichern unsere Videoaufnahmen auf Festplatte) und Bearbeitung (Wir schneiden, bearbeiten und farbkorrigieren die Aufnahmen) in jedem individuellen Fall nachweisen kann.

 

Lösungsansätze ?

Hauptbahnhof München

Werden Menschenmengen und Passanten künftig in Filmen nur noch von Hinten zu sehen sein?

 

Dies ist schlichtweg nicht leistbar. Wird man, so wie es quasi die Internet-Anbieter tun, durch passive Abfrage der Einwilligung, seine Dreherlaubnis einholen können. Etwa durch Schilder am Eingang eines Restaurants mit der Aufschrift "Hier finden Dreharbeiten statt. Mit dem Betreten des Restaurants erteilen Sie Ihre Einwilligung zu Videoaufnahmen und deren Veröffentlichung". Gegen diese vereinfachte Lösung sprechen unter anderem die Aufklärungspflichten des Einzelnen laut GDPR.

 

Wird man künftig eine Menschenmenge nur noch von hinten zeigen können? Werden die Film-Stock Anbieter künftig Archivaufnahmen von Menschen, die man nur von hinten sieht, anbieten, die man dann im Compositing in die realen Aufnahmen mit seinen Schauspielern einmontiern muss? Oder Vorderansichten von Menschenmengen, bei denen Jede-r seine schriftliche Einwilligung gegeben hat, als Plates für den Hintergrund?

 

Alternativ müsste man bei dieser strengen Auslegung sämtliche Personen im Bildhintergund unkenntlich machen. Gehören schwarze Balken vor den Augen künftig zur visuellen Standardsprache in unseren Filmen und Fotos?

 

All das, was unsere modernen Medien ausmacht, die journalistische oder künstlerische Arbeit mit Film,- Video und Fotoaufnahmen bleibt in dem GDPR weitgehend ungeklärt. Man fragt sich, wo der berühmte "Gesunde Menschenverstand" bei all dem bleibt.

 

Unsicherheit und Gesetz aus der Kaiserzeit

Die neue Verordnung produziert also jede Menge Rechtsunsicherheit. Hoffnung macht eine Klausel, welche besagt, dass dann, wenn andere, länderspezifische Regelungen für die personenbezogenen Daten und ihre Veröffentlichung anzuwenden sind, diese Gültigkeit haben. Die GDPR lässt zu, dass nach nationalem Recht auch von diesen Regelungen abgewichen wird.

 

Ganz nebenbei soll es vor allem die persönlichen Daten vor dem ungewollten Gebrauch für Werbung und Marketing schützen, die künstlerische oder journalistische Arbeit stellt eigentlich keinen solchen Missbrauch dar, solange man seine Aufnahmen an keine Werbeagentur verkauft.

 

In Deutschland wäre dies vermutlich das ein Jahrhundert alte "Kunsturhebergesetz" (KUG) welches die Meinungsfreiheit, die Journalistische und künstlerische Freiheit regelt. Hier sind über ein Jahrhundert Erfahrung, auch mit Streitigkeiten vor Gerichten zu Persönlichkeitsrecht und Recht am eigenen Bild gesammelt worden.

 

Diese Annahmen, ja- leider nur Annahmen und kein gesetzliches Regelwerk, werden sich in der näheren Zukunft durch die gelebte Realität in irgendeiner Weise verfestigen müssen. Zwischen Abmahnwellen durch Anwaltskanzleien, medialen Alltag in Presse, Fernsehen und Internet und den Notwendigkeiten in dieser Welt, in der wir nun einmal leben, auch weiterhin drehen und fotografieren zu können, wird sich eine wie auch immer alltagstaugliche Regelung finden.

 

So kann im Moment Niemand, auch das Movie-College nicht, verbindliche Regeln hierzu vorstellen. Bis diese existieren, besteht eine große Rechtsunsicherheit und viele werden darauf hoffen, dass niemand Klage gegen ihre journalistische oder künstlerische Arbeit erheben wird.

 

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