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Als Bühnenmaler noch die Hintergründe (im Studiojargon "Hintersetzer" genannt) für Studiobauten gemalt haben, musste man optisch viel tricksen, um einen realistischen Bildeindruck herzustellen. Und doch waren die gemalten Hintergründe bis zur Jahrtausendwende absoluter Produktionsstandard. Es existierten kaum Alternativen.

 

Gedruckte Hauswand

Mit Hilfe moderner Drucktechniken kann man riesige Ausdrucke von Fotos herstellen, mit denen man nicht nur hässliche Baugerüste kaschieren, sondern auch im Studio eine gegenüberliegende Häuserzeile glaubwürdig simulieren kann.

 

Wo früher noch Bühnenmaler die Hintergründe für Studiobauten gemalt haben, werden heute fast nur noch Drucke verwendet. Doch die gemalten Hintergründe sind fast so alt wie die Filmgeschichte selber und haben bis heute ihren Reiz nicht verloren.

 

Verwandtschaft zum Theater

In den Anfängen des Films war das Medium so neu, dass man sich an dem bereits vorhandenen, dem Theater und der Oper orientierte, um den Umgang mit Film zu erlernen. Nicht ohne Grund sehen viele Kinos auch heute noch ein wenig wie Theater aus, auch wenn hinter dem Vorhang nur eine Leinwand und keine große Bühne verborgen ist.

 

Die ersten Spielfilme in der Stummfilmzeit wurden in einer Einstellung gedreht (was wegen ihrer Kürze kein Problem war) und in einem großen Raum, der wie eine Theaterbühne aufgebaut war. Es gab Kulissen, Hintergründe, gab Türen und Fenster.

 

Bereits damals hat man Bildelemente gemalt, so wie man es von den Bühnenmalern der Theater kannte. Die Hintergründe, ja ganze Fantasiewelten wie etwa bei George Meliés etwa bei seiner legendären "Reise zum Mond", dem ersten Science Fiction Film der Welt entgstanden mit Leinwand, Pinsel und Farbe. Wobei die Farben in der Frühzeit des Kinos in Ermangelung von Farbfilmmaterialien natürlich nicht zu sehen waren und lediglich die Helligkeitsunterschiede definierten.

 

Als die deutsche Filmindustrie nach dem ersten Weltkrieg am Boden lag und kaum Geld vorhanden war, um Kostüme oder Kulissen zu bezahlen, haben Szenenbildner aus der Not eine Tugend gemacht und in Filmen wie "Die Puppe" oder "Das Kabinett des Dr. Caligari" die Kulissen weitgehend gemalt oder grob zusammengeschreinert. Der dadurch entstandene visuelle Effekt hat Filmgeschichte geschrieben.

 

Rückseite von Studiokulisse

Die Rückseite einer gebauten Studiokulisse von "Franta" (Szenenbild: Annette Ganders, Regie: Mathias Allary), deutlich sieht man hinten rechts den  Hintersetzer mit Nachthimmel

 

Filmstudios waren nur in der Stummfilmzeit aus Glas oder ganz im Freien, um möglichst viel Licht einfangen zu können. Da konnte man, zumindest theoretisch, auch den Außenbereich als Kulisse für Fenster,- und Türendurchblicke mit verwenden. Mit dem Aufkommen des Tonfilms mussten die Studios neu gebaut werden, um Außengeräusche abschirmen zu können. Deshalb wurden die Studios später mit soliden Mauern und ohne Fenster gebaut. Damit wurde es aber zugleich schwierig, gebaute Innenräume realistisch aussehen zu lassen, wenn man zugleich auch Durchblicke nach Draußen brauchte.

 

Drehte man ein Innenmotiv im Studio, etwa eine Wohnung, wurde der Außenbereich, also beispielsweise um Fenster und Türen realistisch aussehen zu lassen, von Malern gestaltet. Diese sogenannten Hintersetzer oder Rücksetzer bildeten über viele Jahrzehnte die Grundlage der Studioarbeit. Sie waren selten perfekt, aber man arrangierte sich mit den gebotenen Möglichkeiten.

 

Manche Studiomaler schafften es, sehr realistische Bildeindrücke zu gestalten, wobei man mit realen Requisiten, die man davor stellte, beispiesweise Büschen, Pflanzen, Gegenständen, teilweise mit feiner weißer Gaze und natürlich auch durch das Licht und die Unschärfe mithelfen konnte, den Schwindel zu kaschieren.

 

Die größte Auffälligkeit an der man die Künstlichkeit der gemalten Hintersetzer erkennen konnte, war ihre Unbeweglichkeit. Bäume, Wolken etc. bewegten sich einfach nicht. Erst mit den Mitteln von Green,- oder Bluescreen wurde es möglich, realistischere Hintergründe zu gestalten. Doch auch hier, wie bei den gemalten Hintergründen, waren vor allem Querfahrten mit dem Dolly oder der Steadicam problematisch. Denn während sich bei den Schauspielern und gebauten Räumen die Perspektive entsprechend der Fahrt verschob, blieb sie bei den gemalten oder vorproduzierten Video-Hintergründen stts gleich. Das spürten die Zuschauer unbewusst.

 

Gemalter Nachthimmel

Der gemalte Nachthimmel aus "Franta" (Szenenbild: Annette Ganders, Regie: Mathias Allary) der in den Studios des Südwestrundfunks die Durchblicke durch die Fenster des Studiobaus stimmungsvoll ergänzte.

 

Flatscreens als Hintersetzer

Eine interessante Variante der Hintersetzer stellen inzwischen auch riesige Displays dar. Synchronisiert mit den aufnehmenden Kameras können auf diese Weise bewegte Videoaufnahmen die Außenwelt realistischer werden lassen. Spektakuläres Beispiel für diese Methode sind die inzwischen mehrheitlich in Studios aufgenommenen Fahrtaufnahmen von Motion Concept in Köln. Hier entstehen u.a. die Fahrtaufnahmen von "Alarm für Cobra 11".

 

Hier sitzen die Darsteller-innen im Studio in einem Spielauto, während ähnlich wie dereinst die Rückprojektion, große Flatscreens den Blick durch die Autoscheiben simulieren. Dabei können die gefährlichsten Rasereien völlig gefahrlos im Studio simuliert werden. Sogar einheitliche Unschärfeeffekte sind möglich.

 

Vorproduzierte Videoaufnahmen von Fahrten, die in 360 Grad mit mehreren Kameras bei echten Fahrten aufgenommen wurden, erlauben es, auch bei Umschnitten der Studiofahrtaufnahme stets synchron die richtigen Hintergründe abspielen zu können. Die Illusion ist so perfekt, dass man sogar per Beamerprojektion den realistischen Wolkenhimmel über dem Spielauto synchron abspielen kann, was zu realistischen Spiegelungen auf der Windschutzscheibe führt.

 

Hintergrundmalerei als künstlerisches Element

Heute, wo man die Außenwelt über gedruckte Hintersetzer, per Greenscreen und Compositing oder große Displays viel perfekter mit Studiobauten verknüpfen kann, haben gemalte Hintergründe oder Bildelemente schon wieder einen anderen, artifizielleren Status.

 

Im deutschen Film gab es mit "Franta" 1989 eine in ihrer Form bis heute einzigartige Vermischung von Malerei und Film mit zahlreichen gemalten Bildelementen und Gemälden von Willy T. Regensburger. Es gehörte zum gestalterischen Gesamtkonzept des Filmes, das man die Materialbeschaffenheit und Pinselstruktur nicht nur in den Hintersetzern, sondern auch den Kulissen und Kostümen sichtbar werden ließ.

 

Filme wie Michel Gondris "Science of Sleep" arbeiten bewusst mit dem "handmade" Effekt und gelangen so zu einer besonderen visuellen Wirkung. Aus dem einstigen Schwachpunkt, eine "nur" gemalten Hintergrund ist ein artifizielles Gestaltungsmerkmal geworden.

 

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