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Abgrenzung- Kamerastabilisierung

Um es gleich vorweg zu nehmen,- wir unterscheiden grundsätzlich, ob tatsächlich das Bild selbst oder die ganze Kamera stabilisiert werden soll. Kamerastabilisierung oder Bildstabilisierung.

In der professionellen Welt des Films gab es die längste Zeit nur zwei Variationen,- entweder man benutzte Stative, Dollies und Kräne um ruhige Aufnahmen, fest oder bewegt, zu erzielen, oder aber man drehte mit Handkamera und akzeptierte die wacklige Bildästhetik.

Denn selbst der ruhigste Kameramann war stets auch ein Wesen mit Atmung, Puls, Abrollverhalten beim Gehen usw. Steht man einfach auf der Stelle, so wackelt der gesunde Mensch durchschnittlich mit einem Winkel von 2 Grad pro Sekunde. Durch dieses Wackeln werden eigentlich genaue Punkte oder Linien in einem Motiv nicht optimal scharf abgebildet, wir sprechen von der Bewegungsunschärfe (Motion blurr). Wenn diese Ungenauigkeit aus verwischten Punkten kleiner als 30ym ist, nehmen wir sie als scharf wahr, ein Phänomen welches wir auch beim Thema Schärfentiefe beim maximal zulässigen Zerstreuungskreis feststellen können.

Für Jahrzehnte schien das so Gesetz zu sein, bis Garret Brown mit seiner Steadicam zum ersten Mal bewegte und zugleich ruhige Fahrten ermöglichen sollte. Doch davon soll hier nicht die Rede sein. Auch nicht von anderen Kamerastabilisatoren wie etwa jenen ersten Kenyon Gyrostabilisatoren, welche bereits ab Ende der fünfziger Jahre gleich die ganze Kamera samt Rigg per Kreiselstabilisator beruhigten. Jost Vacanos Handkamera in "Das Boot" war mit Kenyon Gyrostabilisatoren optimiert, der legendäre Filmmechaniker Gerhard Fromm aus München hatte diese für die Dreharbeiten angepasst. Und auch jene modernen Nachfahren jener Systeme, die mit feinsten Sensoren und Stellmotoren heute prozessorgesteuert die ungewünschten Erschütterungen an der ganzen Kamera kompensieren, lassen wir an dieser Stelle beiseite.

 

Frühe Bildstabilisierungssysteme

Ein- und Ausschalter für Bildstabilisierung

 

Einige Jahre nach dem erfolgreichen Eintritt der Steadicam in die Filmbranche gab es erste Versuche, die wackelnde Handkamera durch eine optische Bildstabilisierung mit Hilfe eines Kreiselstabilisators zu beruhigen. Das war ein externer Vorsatz, den man vor das Objektiv baute in welchem ein optisch hervorragender Spiegel kardanisch aufhängt war und dessen Bild ein weiteres Mal gespiegelt wurde, um seitenrichtig aufnehmen zu können.

Problematisch und leider auch dem Zweck der ruhigen "Handkamera" entgegenwirkend war, dass die Kamera deutlich schwerer (das Gerät wog 2,5 Kg!) und lauter wurde, außerdem musste mehr Akkuleistung bereitgestellt werden.
Auch ein anderes frühes System namens Dynalens, welches mit einer lichtbrechenden Flüssigkeit zwischen zwei präzisen optischen Glasplatten arbeitete, deren Abstand und Winkel nach den Messungen von Gyrosensoren gesteuert werden konnte und so Bildbewegung ausglich, war schwer und mit über 8500,- USD in den siebziger Jahren zudem recht teuer.

 

Neuere Systeme

Die ersten modernen Systeme wurden in den neunziger Jahren des letzen Jahrhunderts zunächst von Nikon und gefolgt von Canon, entwickelt. Bisher gilt noch die Faustregel, dass eine optische Bildstabilisierung die hochwertigsten Ergebnisse liefert. Allerdings muss man hier sehr genau differenzieren, denn nicht jedes Stabilisationsverfahren, welches originär für Fotozwecke konzipiert wurde, ist auch für Videographie geeignet. Doch dazu kommen wir noch.

Grundsätzlich können mit der optischen Stabilisierung sowohl Maßnahmen innerhalb der Objektive oder innerhalb der Kamera gemeint sein. Messsensoren registrieren unerwünschte Erschütterungen und steuern mit winzigen Stellmotoren entweder beweglich gelagerte Linsen, Prismen oder Sensoren dagegen. Auf diese Weise lassen sich erstaunlich ruhige Aufnahmen aus der Hand drehen.

 

Objektivstabilisierung

Ein- und Ausschalter für Bildstabilisierung

Ein- und Ausschalter

 

Längst nicht jeder Objektivhersteller produziert auch stabilisierte Objektive. Bei den Fotooptiken sind Canon, Nikon, Sony, Leica, Panasonic, Fuji Sigma und Tamron die bekanntesten Marken.
Teilweise verwenden sie andere Bezeichnungen, meinen damit aber ähnliche Verfahren. Canon nennt es IS (Image Stabilizer), Panasonic spricht vom OIS (Optical Image Stabilizer), Sony nennt es OSS (Optical SteadyShot), Nikon von VR (Vibration Reduction) und Sigma vom OS (Optical Stabilizer). Also tief durchatmen und nicht irritieren lassen!

Durch beweglich gelagerte und wie beschrieben, durch Sensoren gesteuerte Stellmotoren veränderbare Linsen oder Prismen, verschiebt sich der abgebildete Bildkreis so, dass damit die gleichzeitige Kameraerschütterung kompensiert wird. Die Mirrorless- Kamerahersteller geben den Gewinn an Kameraruhe auch gerne in Blendenstufen an, um auszudrücken um wieviel längere Belichtungszeiten man durch die Stabilisierung noch aus der Hand fotografieren könnte.

Beim Wirkungsgrad kommt es stets auf die Rahmenbedingungen an, in der Regel werden vor allem Schwingungen von 1 bis 10 Herz kompensiert.

 

Nebenwirkungen

Auch wenn es die Hersteller ungerne zugeben- die beweglichen Elemente haben als kleine Nebenwirkung eine leichte Verschlechterung der Abbildungsqualität zur Folge, insbesondere die chromatische Aberration kann an den Bildrändern verstärkt werden.

Ein weiteres Problem liegt in der Natur der Sache. Die Sensoren solcher Systeme können nicht vorhersehen, welche Erschütterungen kommen. Es müssen also immer erst Erschütterungen auftreten, damit das System dann schnell darauf reagieren kann. Diese Anfänge der Störungen werden trotzdem im Ansatz sichtbar sein.

Je nach Justage des Systems werden vielleicht eher kleine, hektische Erschütterungen kompensiert, langsame aber eher nicht. Die meisten Sensoren werten auch gar nicht die Bildinformation aus, um Bewegungen einschätzen zu können, sondern die Beschleunigung des Objektivs oder der Kamera im Raum.

Der Grad, um welchen Linsen oder Sensoren bewegt werden können, ist recht begrenzt. Man darf sich von solchen Systemen keine Wunder erwarten, ein Bildstabilisator ist keine Steadicam!

 

Einflussfaktor Brennweite

Es versteht sich von selbst, dass wenn ich mit einem Teleobjektiv ein entferntes Objekt vier, fünf fach vergrößere, dass dann meine Erschütterungen der Hand ebenfalls um diesen Faktor vergrößert werden. Man hat deshalb in Zeiten ohne Stabilisatoren für die Fotographie mit Kleinbild die Faustformel entwickelt, dass die Belichtungszeit jeweils den Wert der Brennweite als Zahl, als zum Beispiel 100mm, auch als Belichtungszeit nicht unterschreiten sollte, man also mindestens eine 1/100 Sekunde oder kürzer belichten sollte. (Fotographen mit kleineren Bildsensoren als Full Frame müssen in diese Formel übrigens noch den Crop-Faktor mit einrechnen, die 100mm können beim kleineren Sensor einem 150er o.ä. entsprechen.)

Da wir beim Filmdreh bei der Videokamera eher eine konstante Belichtungszeit von etwa einer 1/50s haben, könnte man theoretisch aus der Faustregel ablesen, dass man ja immerhin bei einer Full-Frame Videokamera mit einem 50mm Objektiv aus der Hand ruhige Bilder drehen könnte. Doch leider ist dem nicht so, denn im Gegensatz zum Fotoapparat wird ja nicht nur ein einzelnes statisches Bild, sondern eine permanente kontinuierliche Bildfolge von etwa 25 Bildern aufgezeichnet, eine ständige Beweissicherung unserer unruhigen Hände quasi.

 

Einflussfaktor Gewicht

Damit unsere Hände die Kamera ruhig halten können, ist eine gewisse Muskelanspannung erforderlich, welche bei schwereren Geräten höher, bei leichteren geringer ist. Das hat mit den physikalischen Gegebenheiten zu tun, eine gewisse Masse erzeugt auch eine größere Trägheit, sprich Stabilisation.

 

Einflussfaktor Sensorgröße

Die Auflösung, jene des Sensors und natürlich auch jene auf die man dann später möglicherweise herunter skaliert hat einen großen Einfluss auf die Sichtbarkeit von Verwacklungen. Je feiner die abgebildeten Strukturen, desto deutlich werden die Unterschiede, sobald das Bild wackelt und die klaren Strukturen durch Bewegungsunschärfe verwischen, diffus werden.

 

Sensorstabilisierung

Wie der Name schon sagt, ist hier kein Linsenelement, Prisma etc. im Objektiv, sondern der ganze Sensor beweglich gelagert und bewegt sich quasi sensorgesteuert den Kameraerschütterungen entgegen. Kamerahersteller wie Pentax, Olympus, Sony, Fuji oder Panasonic arbeiten u.a. mit diesem Verfahren. Es hat den Vorteil, dass die Objektive preiswerter hergestellt und vor allem auch ältere, nicht stabilisierte Objektive stabilisiert werden können, allerdings gilt es auch als weniger effektiv im Vergleich zur Objektivstabilisierung.

Im Laufe der Jahre wurden die Achsen, in denen Sensoren beweglich gelagert sind, immer mehr. Aus zunächst nur zwei Achsen (Horizontal und Vertikal) werden bei den verschiedenen Herstellern immer mehr, 2015 sind Fünf-Achsen Bildstabilisatoren für Full-Frame das Maß der Dinge. Achtung- manche Kameras haben eine Warnanzeige (Steadishot), die blinkt, wenn die Kamera zu wenig Licht bekommt um zuverlässig das Bild stabilisieren zu können. Wenn diese Anzeige auch bei hellem Licht blinkt, könnte es sein, dass der Stabilizer defekt ist. Innerhalb der Garantiezeit wird das meistens vom Hersteller übernommen, danach wird es teuer.

 

Irritierte Stabilisatoren

Gänzlich problematisch wird es, wenn man die Kamera auf Schienen oder Stativ, also bereits beruhigt und kontrolliert bewegt, aber die optische Bildstabilisierung eingeschaltet lässt. Dann nämlich interpretiert diese die gewollte Kamerabewegung möglicherweise als Wackler und versucht diese auszukorrigieren. Ergebnis sind dann unschöne Ruckler.

 

Film ist anders

Durch die zeitlich kontinuierliche Aufnahme sind die Anforderungen an die Bildstabilisierung für Video andere, als für die Fotografie. Da immer mehr Fotoequipment für Video verwendbar ist, muss man hier genauer hinschauen. Die Sensoren von State of the art Systemen messen jede Tausendstel Sekunde die Bewegung, die Daten werden in einem Microprozessor verrechnet und die notwendige Kompensation an die beteiligten beweglichen Linsen weitergeleitet. Das geht alles unglaublich schnell.

Stabilisatoren, die für die Fotographie hervorragende Dienste leisten, können in der Schnelligkeit der Bewegungskompensation in der Videoaufnahme für sichtbare Vibrationen sorgen. Man spricht hier von Mikrovibrationen. Trägere optische Bildstabilisatoren sind hier im Vorteil, Objektive die dezidiert für Videokameras gebaut sind, haben anders abgestimmte Sensoren.

 

Gimbal

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Der Begriff stammt eigentlich von der Steadicam und meint eine kardanische Aufhängung. Moderne Gimbal-Stabilisatoren haben an den Achen der kardanischen Aufhängung Stellmotoren, welche auf Erschütterungen und Wackler, die von Sensoren gemessen werden, durch präzise Ausgleichsbewegungen reagieren und so ruhige Aufnahmen ermöglichen. Gimbals müssen in der Handhabung beherrscht werden, man braucht also eine gewisse Einlernphase und möglicherweise auch Assistent*innen für verschiedene Bedienfunktionen.

 

Digitale Stabilisierung

Da es, zumindest bei in Kameras integrierten Verfahren, keine wirklich qualitätsvollen digitalen Stabilisatoren gibt (Pixel-Shift etc.) wollen wir uns diesen, vor allem im unteren Preissegment digitaler Fotoapparate anzutreffenden Verfahren an dieser Stelle gar nicht widmen.
Was aber durchaus bei den immer höher werdenden Auflösungen relevant wird, sind digitale Stabilisierungen in der Postproduktion. Diese können nachträglich über gänzlich unstabilisierte Aufnahmen gerechnet werden, allerdings muss dafür etwas in das Bild hineingefahren werden, die Kadrage sollte also etwas Luft zu den Bildrändern hin berücksichtigen. Man nennt diese Verfahren "Motion Tracking", man findet sie in After Effects oder auch SteadyHand. Wenn man leistungsstarke Rechner verwendet und die Algorithmen gut sind, kann man hier erstaunlich gute Ergebnisse erzielen.

 

Fazit

Wann immer es möglich ist, sollte man auf die klassischen Kamera-Stabilisierungen Stativ, Schienen, Kran oder Steadicam setzen, die Bilder sind ruhiger und die Abbildungsqualität höher als mit Stabilisatoren. Wenn aber Handkamera unumgänglich ist, dann können die Bildstabilisatoren eine wertvolle Hilfe sein, allerdings muss man ihre Grenzen kennen und wissen, welche Artefakte durch ihren Einsatz entstehen können.

 

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