Ja, das Hochformat (Vertical Video) Video ist unfilmisch und nein, Filmemacher drehen so nur ungern und doch gibt es sie Millionenfach. Was muss man bedenken? Will man etwa für Instagram TV Videos herstellen, macht es durchaus Sinn, im Hochformat zu drehen. Sagen sich auch immer mehr Menschen, welche per Social Media auf Handy Promotion betreiben, wie etwa Lena Meyer-Landrut, die ein Musikvideo in genau diesem Hochkant-Format drehen ließ. Mercedes bietet neuere Werbespots sowohl klassisch im Querformat als auch im Hochformat für Smartphones an. Da Unternehmen ihre Kunden dort abholen müssen, wo sie sich häufig aufhalten, sprich beim Smartphone, kommen sie, obwohl es eindeutig das nachteiligere Format ist, kaum darum herum, auch im Hochformat ihre Werbeclips zu produzieren. Selbst Netflix bietet teilweise Hochkant-Videos für Handynutzer an.
Im Grunde genommen handelt es sich beim Hochkant Video lediglich um das um 90 Grad gedrehte Breitbild-Format. Dass unser Gesichtsfeld natürlich dem Breitbild-Format eher entspricht, ist wahrscheinlich Jedem bewusst und man würde sich schon sehr wundern, wenn einem im Kino Filme wie durch einen Türspalt betrachtet, hochkant präsentiert würden. Gestalterisch anspruchsvolle Filme werden natürlich weiterhin im Querformat produziert und gezeigt. Aber auf Handys kommt es eben öfter vor, einfach weil man Handys hochkant besser in der Hand halten kann, als Quer. Außerdem sind Menschen einfach faul und haben wenig Lust dazu, das Handy für jedes Video einmal herum zu drehen.
Balken & Second Screens
Aber wer will schon tolle HD Videos mit hässlichen schwarzen Balken oben und unten anschauen? Man kannte das aus Zeiten in denen Fernsehen in 4:3 dargestellt wurde. Dort liefen Breitwand-Kinofilme, welche die Kinoproduzenten eigens eingeführt hatten, um einen Mehrwert gegenüber dem Fernsehen anbieten zu können, stets mit schwarzen Balken oben und unten, im so genannten Letterbox-Verfahren. Doch bei einem Handy wären die Balken auf dem Display im Hochkant Betrieb höher als der Videofilm selber. Das verhindern zu wollen, ist das Hauptargument der Hochformat Videofans.
Umgekehrt, nicht wenige You-Tube Nutzer schauen ihre beliebtesten Clips nicht nur mobil, sondern oft auch mit Freunden auf dem TV-Screen oder ihrem Computer Bildschirm an. Hochformat Videos auf diese Weise anzuschauen ist wegen der schwarzen Blöcke rechts und links doch eher quälend.
Snapchat
Praktisch alle populären Apps für Smartphones, Facebook, Instagram, Snapchat, Twitter & Co nutzen das Hochformat. Bei Snapchat ist das Hochformat sogar verpflichtend. Der Konzert motiviert "Creators" dazu, Hochformat Clips zu produzieren und hat auch angekündigt, Möglichkeiten bereit zu stellen, mit diesen Geld zu generieren. Man darf annehmen, dass dies wie bei anderen Video-Plattformen über Werbe-Adds passieren wird. Wie genau das passieren soll, wird sich zeigen, YouTube hat die Zahl derer, die mit ihren Videos an Werbeeinnahmen teilhaben können durch neue Regelungen drastisch reduziert. Und auf Instagram verdienen Influencer hauptsächlich an direkten Partnerschaften mit Industrieunternehmen. Wenn Snapchat hochwertige Hochformat Beiträge generieren möchte, wird sich die Frage nach der Finanzierung insbesondere längerer Formate, rasch stellen.
Snapchat will auch Längen bis zu 60 Minuten zulassen. Doch lange Videos aus anderen Quellen als von bekannten "Creators" werden für Snapchat eine große Herausforderung. Ähnlich wie für YouTube wird es schwierig, jedes hochgeladene Video auf seine Inhalte hin zu überprüfen. Moderatoren solcher Plattformen haben schlicht nicht die Zeit, ganze Videos anzuschauen, die Prüfung dauert typischerweise 10-20 Sekunden pro Video. Es wird kaum möglich sein, unerwünschte Inhalte von der Plattform fern zu halten. Der Mutterkonzern zu dem Snapchat gehört, Facebook kämpft damit bereits in einem gigantischen Ausmaß.
Die Fokussierung auf das Hochformat muss natürlich nicht immer so bleiben, aber momentan ist das der Smartphone-Standard. Wer weiß, was die neuen Foldable Handys dann für neue Formate hervorbringen werden. Doch schauen wir uns das mit den Hochkant Videos einmal genauer an...
Postpro in Premiere
Wer Hochformat Videos schneiden möchte, sollte dies in einem ordentlichen Schnittprogramm tun und diesem das geänderte Format mitteilen. Bei Premiere bedeutet dies, dass man in den Sequenzeinstellungen die Bildgröße auf 1080×1920 ändert, was einem Höhen-Seitenverhältnis (Aspect Ratio) von 9:16 entspricht. Das ist zumindest der größte gemeinsame Nenner, auch wenn es immer mehr Handy in 18:9 oder 18,5:9 gibt.
Umgekehrt, Hochkantvideos werden schon seit 2015, falls man sie nicht auf Handys, sondern auf Tablets oder dem PC wiedergibt, in YouTube randlos, also ohne schwarze Balken rechts und links angezeigt.
Querformat im Hochformat
Manchmal ist es notwendig, Videos, die zwingend im Querformat bleiben müssen, für das Hochformat zu adaptieren. Die Vorgehensweise besteht darin, dass man die gewünschte Aufnahme dupliziert und auf eine andere Spur legt. Dort zieht man das Bild so groß, dass es das gesamte Hochformat ausfüllt. Dann legt man eine Gaußsche Unschärfe darüber und nimmt die Sättigung etwas heraus. Die horizontale Aufnahme legt man dann in die höhere Spur über diesen so entstandenen diffusen Hintergrund. Diese Methode wird auch von vielen Privatsendern angewendet, wenn man 4:3 Material im 16:9 Fernsehen ohne schwarze Balken links und rechts zeigen möchte.
Alternativ kan man natürlich auch einen passenden farbigen oder wenn man mag auch gemusterten Hintergrund in Photoshop etc. herstellen und unter das horizontale Video legen.
Ausschnitte und Mogelfahrten
Natürlich kann man auch in ein normales Querformat Video hineinzoomen, allerdings leidet darunter höchstwahrscheinlich die Auflösungsqualität. Dazu muss man es in der Timeline, die ja auf Vertikal eingestellt ist, das horizointale Video erstmal um 90 Grad drehen. Falls das Video trotzdem akzeptabel aussieht, kann man darin sogar Fahrten programmieren, soweit der Inhalt der Aufnahme es hergibt. Um das zu erzielen, kann man in den Effekteinstellungen Keyframes für Position oder wenn man Zooms simulieren will für Skalierung erstellen und diese Bewegung füber den ganzen Clip hinweg animieren.
Export
Es versteht sich von selbst, dass man für den Export des fertigen Videos die Höhen-Seiteneinstellungen beibehalten möchte. Hierzu stellt man im Exportfenster bei Premiere "Mit Quelle abgleichen" ein. Dabei sollte man beachten, dass die maximalen Videos 60 Sekunden Länge haben sollten und nicht größer als 15 MB sein. Dies Beschränkung ändert sich, IGTV will auch Videos bis zu 60 Minuten Länge zulassen. Derartige Längen in einem Medium bei dem die Augen der Zuschauer eigentlich in den Bildern herumwandern möchten, sind dann noch mal eine ganz andere Herausforderung.
Aus diesem Grunde sind die Qualitätseinstellungen beim Export ziemlich niedrig. H.264 Codec & AAC Audio, 3,5 MBit/Sek sollte die Video Bitrate betragen. Bei der Bildrate kann/muss man möglicherweise sparen um die Dateigröße kleiner zu bekommen. Auch bei den Toneinstellungen soll man die niedrigste Qualitätsstufe wählen, AAC 128.
Entscheidungen
Hochformat Videos sind eine Grundsatzentscheidung. Sie werden ihren Weg nicht auf Kinoleinwände oder Flatscreen Fernseher finden, dafür aber große Verbreitung auf Handys haben. Sie sind eine Einbahnstraße, die sich aber für Blogger, Influencer und Werbetreibende lohnen kann. Während Virtual Reality Filme die Sehnsucht der Menschen nach einem breiteren Gesichtsfeld repräsentieren, stehen Hochformat Videos für das glatte Gegenteil. Hochformat Videos werden ihre ureigene Erzählweise erst noch finden müssen, wenn sie über die reine Informationsvermittlung hinaus kommen wollen.