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In diesen Tagen hört man immer wieder, die Arthouse Kinos befänden sich im freien Fall, doch bei näherer Betrachtung sieht das etwas anders aus...

Die immer wieder heraufbeschworene Krise der Kinos trifft interessanterweise die meisten Arthouse-Kinos noch gar nicht. Wenn man die reinen Zahlen und den Kostenaufwand für die zumeist eher kleinen Programmkinos anschaut, so geht es vielen ziemlich gut, überraschend gut, angesichts der immer wieder zu hörenden Kunde um den kriselnden Arthouse Film. Natürlich verschwinden auch heute noch Kinos, aber es sind in Deutschland erstaunlich wenige, die aufgeben und manche werden sogar neu eröffnet.

 

Wo die Krise tatsächlich stattfindet

 

Die meisten Zuschauer gehen in Multiplex-Kinos, also den Gegenpol zu Programmkinos (auch gerne Filmkunstkinos genannt), in Deutschland sind ca. 83% aller Leinwände dem reinen Kommerzfilm gewidmet. Doch die verbleibenden 17% halten sich erstaunlich lebendig, trotz natürlich sinkender Zuschauerzahlen angesichts immer größerer Flatscreens und Verfügbarkeit von Filmen via Streamingdiensten.

Das wir dennoch gleich an die Kinos denken, wenn von den Problemen des Arthouse-Films sprechen, liegt aber vor allem an einem Missverständnis. Die Krise findet nämlich gar nicht vornehmlich in den Programmkinos statt, sondern bei den arthouse-Verleihern und natürlich den Arthouse-Produzenten. Von den Verleihern gibt es nämlich immer mehr, seit das Verleihen eines Filmes kein großes Investment mehr bedeutet. Und von den Produzenten immer weniger, weil von den erzielten Einnahmen so viel Geld bei den Kinos und Verleihern bleibt und sie erst nach Abzug der sogenannten Verleihvorkosten überhaupt ein wenig Geld sehen. Nicht wenige Filme verdienen Geld in den Kinos ohne dass ein einziger Euro bei den Produzenten landet.

 

Filmverleihen leicht gemacht

Wo man früher viel Geld in die Hand nehmen musste, um all die 35mm Filmkopien herstellen zu lassen, sie zu lagern, prüfen und zu verschicken, ist das DCP dagegen lächerlich preiswert, wenn man die Daten über Server verschickt, sogar ohne Festplatten zu vertreiben. Bewerben kann man die Filme auch über das Internet, kurzum, der größte Kostenfaktor ist ein Disponent oder eine Disponentin, die die Kinos anruft und versucht, den Filmtitel dort unter zu bringen. Ein wenig Geld kostet dann noch eine "Virtual Print Fee", eine Gebühr für das DCP.

 

Zu wenig Zeit für zu viele Filme

 

Und weil das plötzlich so viele Verleiher versuchen, sind die verfügbaren Programmkinofenster völlig verstopft und die Arthouse-Verleiher kriegen ihre Filme oft nicht mehr untergebracht. Jede Woche werden in Deutschland allein in den Kinos der AG Kino im Durchschnitt zwölf neue Filme gestartet. Das bedeutet natürlich zugleich, dass zwölf andere Filme dafür aus den Kinos rausfliegen müssen, um Platz zu machen. Die Programmkinobetreiber suchen sich die Rosinen aus dem gewaltigen Angebot, die Zahl der produzierten Arthouse-Filme in Europa ist überraschend hoch. Von den im Durchschnitt etwa 1400 europäischen Langfilmen pro Jahr sind die meisten dem Arthouse zuzuordnen.

Für diese Filme bleibt, wenn sie es denn überhaupt auf eine Leinwand schaffen, immer weniger Zeit, überhaupt ausgewertet zu werden. Selbst wenn Filme in den Programmkinos laufen, erwirtschaften sie wegen der kurzen Zeit, die sie gespielt werden, zu wenig Geld, um damit aufwändige Werbekampagnen zu starten. Deshalb sind Internet,- und Printkritiken inzwischen die wichtigsten Werbeträger für Arthouse Filme. Ein weiteres Nadelöhr...

 

Einnahmesteigerungen nur durch Preiserhöhungen

 

Die mit der Digitalisierung der Kinos einst versprochenen Freiheiten haben nicht stattgefunden. Die allermeisten Kinobetreiber wagen keine ungewöhnlichen Filme und riskieren nichts. Obwohl man heute auf unterschiedlichste Filme von Independent-Produzenten zugreifen könnte, bleibt man doch brav bei den gewohnten Verleihfirmen. Und selbst die bieten mehr Titel an, als die Kinos spielen können. Was die Krise verschärft ist der Umstand, dass viele der in den Kinos gestarteten Filme zu allem Überfluss auch noch mittelmäßig oder gar schlecht sind.

Trotz relativ konstanter Zuschauerzahlen im Programmkinobereich sind die Einnahmen gestiegen. Das Zauberkunststück wurde breitflächig durch Preiserhöhungen der Kinotickets bewirkt. Doch wenn man Filme preiswerter und dank Streamingdiensten oft genau so früh nach ihrem Erscheinen auch Zuhause anschauen kann, wird der Kinobesuch nicht unbedingt attraktiver.

Und wenn nicht bald die Independent-Produzenten in die Lage versetzt werden, ihre Teams und Schauspieler gut zu bezahlen und auch selbst von den Erlösen leben zu können, wird es bald immer weniger Arthouse-Filme geben. Da sind nicht nur das Fernsehen und die Förderungen gefordert, sondern auch die Kinos und Verleiher gefragt, eine fairere Verteilung der Einnahmen zuzulassen. Dass die Independent-Produzenten nicht immer am unteren Ende der Verteilungskette stehen.

 

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