Was in den Staaten schon seit Jahren ein kommerzieller Erfolg ist, lehrt seit dem 16. September 2014 auch in Deutschland vor allem die Privatsender das Fürchten. Streaming-Dienste gibt es ja schon etliche Jahre in Deutschland, was macht den neuen Anbieter so anders?
Selbstbestimmtes Fernsehen
Dass die jungen Zuschauer kaum mehr öffentlich-rechtliches Fernsehen schauen, ist keine neue Erkenntnis. Dies beschäftigt die gebührenfinanzierten Sendeanstalten intensiv und aktuell sehen sie ihre Rettung in teilweise fragwürdigen cross-medialen Weiterführungen ihres konventionellen Programms im Internet auf unterschiedlichsten Wegen. Der Begriff des Second Screen, auf dem die jungen Zuschauer Zusatzinformationen zum Programm abrufen können, sowie die Mediatheken von ARD, ZDF, 3Sat und Arte sollen die verloren geglaubten Zuschauer wieder einfangen, bevor die klassischen Sender gänzlich der Bedeutungslosigkeit anheim fallen. Natürlich berührt die neue Konkurrenz auch die Bezahldienste wie Sky, Telekom Entertain, Kabel Deutschland, Maxdome etc. Denn die Bezahlangebote bei Netflix oder auch Amazon Prime wildern natürlich genau in deren Kundenkreis: Zuschauer, die bereit sind, für attraktive Angebote auch zu bezahlen.
Was machen Netflix, Amazon Prime & Co anders, dass diese öffentlich-rechtlichen Bemühungen eher hilflos als erfolgversprechend wirken? Nun erst einmal ist Netflix ein "Video on demand"-Anbieter, bei dem sich die Zuschauer nicht mehr vorschreiben lassen, wann sie was und wie anschauen. Sie entscheiden selbst, woran sie interessiert sind und auf welchem Bildschirm sie es anschauen.
Andere Kunden interessierten sich auch für...
Was aber Netflix so besonders macht, ist, dass hier das Zuschauerinteresse massiv analysiert (manch einer sagt auch ausspioniert) wird. Das, was also Google, Amazon & Co seit vielen Jahren tun, um die Kaufabsichten und Interessen ihrer User möglichst gewinnbringend zu lenken, nutzt Netflix, um maßgeschneidert Programme anzubieten und sogar in Auftrag zu geben, die von möglichst vielen Zuschauern gemocht werden und von ihrer Story und dramaturgischen Entwicklung her den Wünschen der Zuschauer möglichst nahe kommen. Nutzerprofile, bei denen man dem individuellen Zuschauer Angebote macht "was ihn auch interessieren könnte", werden mit speziellen Algorithmen ständig optimiert. Die Erfolgsserie "House of Cards" etwa wurde von Netflix hergestellt und erfreute sich großer Beliebtheit. Und Netflix Germany lässt auch in Deutschland produzieren. Beispiele hierfür sind Serien wie "Dark", "Skylines", "Tribes of Europa", "Biohackers", "Das letzte Wort", "Unorthodox", "Kitz" und andere. Nicht alle waren erfolgreich, so gelten "Wir sind die Welle" oder "Dogs of Berlin" eher als Flop.
Ein Privatsender darf das, darf sich dem Geschmack einer Mehrheit anpassen, darf den gemeinsamen Nenner suchen. Öffentlich-rechtlichen Sendern aber würde es gut anstehen, diesem Ansatz gerade nicht zu folgen. Denn der Geschmack einer Mehrheit ist nicht unbedingt gleich gut und nicht zwingend das, was die Gesellschaft braucht, fördert und weiterentwickelt. Übertragen auf die Ernährungsindustrie würde die Mehrheit auch eher für zuckertriefende Limonaden voten als für gesunde, frische Säfte oder gar pures Wasser.
Ihr größter Vorteil ist auch ihre größte Schwäche: Wenn Anbieter wie Netflix schon bei der Auswahl und Planung nur das favorisiert, was laut den Daten bislang erfolgreich war, wenn also stets nur die bisherigen Daten regieren, dann produziert man immer mehr vom Gleichen, das Angebot wird immer weniger abwechslungsreich, immer weniger kreativ.
Das Auftauchen von Netflix und anderen VOD-Diensten sollte also auch Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender haben, ihre eigentlichen Verpflichtungen genauer zu überprüfen. Nur so und nicht durch noch mehr Annäherung an das Niveau der Privatsender lässt sich auf längere Sicht der Einzug von Fernsehgebühren rechtfertigen. Man darf also gespannt sein.