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Das klingt eigentlich genial, als Newbee, Filmstudent oder Filmfan bei einem Profiprojekt mitzuarbeiten. Immer wieder werden im Web oder auch als Anfrage an Medien,- oder Filmhochschulen Jobs an "echten Filmsets" ausgelobt. Doch Vorsicht, dahinter verstecken sich oft Chaosdrehs!

 

Manchmal selbst an Hollywood-Sets

Das kommt bei den teuersten Produktionen vor, dass es Probleme gibt. So wurden etwa bei  „Solo: A Star Wars Story“ von den Produktionsfirmen Disney und Lucasfilm die Regisseure Phil Lord und Chris Miller nach mehreren Monaten Dreharbeiten durch den Regisseur Ron Howard ausgetauscht und dem Hauptdarsteller wegen gravierender Abweichung von den Qualitätsansprüchen, ein Schauspielcoach an die Seite gestellt.

Doch all das betrifft vielleich einzelne Personen und ist nichts, verglichen mit so manchen Chaosproduktionen, wie sie bedauerlicherweise immer wieder im deutschsprachigen Raum vorkommen. Interessanterweise wählen die Chaos-Produzenten meistens englische Titel für ihre Filme aus um quasi ihre Nähe zu Hollywood zu signalisieren.

Seltsamerweise liest man selten bis überhaupt nicht online von solchen Desasterdrehs, vielleicht sprechen die Betroffenen aus Scham nicht darüber, oder sie haben Knebelverträge unterschrieben, in denen sie zur Geheimhaltung verpflichtet wurden. Leider darf man in Deutschland keine schwarzen Listen führen, auf denen man vor bestimmten Produktionen oder Regisseuren warnen darf. Vielleicht helfen aber die folgenden Beispiele und die Checkliste, künftig nicht auf diese Projekte reinzufallen.

 

Berliner Desaster

Da gibt es zum Beispiel diesen Berliner Spielfilm der 2017 begonnen wurde mit umfangreichem Cast, bei dem es aber drunter und drüber ging und das halbe Team kein Geld bekommen hat. Auffällig wird es dann, wenn man in den Stablisten nachschaut und beispielsweise unter Regie gar kein Name steht, sondern nur „Diverse“. Das kann bei Telenovelas normal sein, dass dauernd die Regie wechselt,- bei einem Einzelfilm bedeutet das etwas.

Oder wenn es gleich mehrere erste und zweite Kameraassistenten gegeben hat, bedeutet das ebenfalls einiges. Leider dürfen wir an dieser Stelle keine Namen nennen, doch in der Branche sind ein paar einschlägige Produktionsfirmen in Berlin inzwischen berüchtigt. Gerade in Berlin, wo es wenig Budgets aber viele "Projekte" gibt, ist die Zahl chaotischer Dreherfahrungen besonders hoch.

Diese Chaosdrehs leben von der Selbstüberschätzung Einzelner, die davon profitieren, dass Film nach wie vor eine große Anziehungskraft auf Menschen ausübt und nicht wenige, die von Filmberufen träumen, sich auf irrwitzige Projekte und Arbeitsbedingungen einlassen. Da wird dann auch gerne um Geld für Equipmentmiete zu sparen, 14 Tage ohne freie Tage durch gedreht bei täglichen Arbeitszeiten von 18 und mehr Stunden.

 

Münchner Hollywoodwahn

 

Der Irrwitz beginnt, wie bei einer Münchner Produktion des vergangenen Jahres damit, dass der Regisseur und Produzent in Tateinheit unter einem französischen Künstlernamen agiert. Natürlich hat die Produktionsfirma einen amerikanischen Namen wie auch der Filmtitel selbst amerikanischer kaum klingen kann.

Gerne wird das Kernteam noch durch „Filmhochschüler“ oder begabte Nachwuchsfilmer ergänzt, denen wie in diesem Fall ein „Hollywoodteam“ versprochen wird. Will sagen, Regisseur und Kameramann behaupten von sich, dass sie Hollywood-erfahrung haben. Schaut man genauer hin, reduziert sich die Erfahrung auf Aufenthalte in Los Angeles. Der „Hollywood-Kameramann“ hatte bis vor zehn Jahren tatsächlich diverse TV Movies gedreht, aber seitdem eben nichts mehr und schon gar nichts für eine amerikanische Hollywoodproduktion.

Angeworben werden dann Funktionen wie Aufnahmeleitung, Regieassistenz, Kameraassistenz, Ausstattung und Licht, denn scheinbar ist dem Regisseur/Produzenten erst zwei Wochen vor Drehbeginn eingefallen, dass er ein Team braucht.

Oder vielleicht hat er bereits versucht, Profis zu engagieren, die den „Braten“ aber gerochen haben und dankend ablehnten.

Doch allein die Tatsache, dass man bereit ist, Erstsemesterstudenten einer Filmhochschule in Positionen wie Kameraassistenz oder Regieassistenz anzustellen, sollte eigentlich alle Alarmsirenen schrillen lassen. Denn genau für diese Positionen braucht man Leute mit sehr viel Erfahrung und Können.

In den ersten Vorgesprächen werden noch Honorare rund um die 2000,- Euro versprochen, später lösen sich diese Beträge in Nichts auf, obwohl es trotzdem Menschen bei dem durch private Finanziers unterstützen Projekt gibt, die viel verdienen. Die beiden Hauptdarsteller beispielsweise, die mehrere zehntausend Euro verdienen und für den Dreh natürlich in den teuersten Hotels, die München zu bieten hat, untergebracht werden.

Kaum beginnt der Dreh, schaukeln sich die Defizite auf allen Ebenen hoch. Filmstudenten ohne professionelle Dreherfahrung sind eben keine Profis, sie arbeiten trotzdem bis zum Umfallen, haben während des fast zweiwöchigen Drehs pro Nacht kaum mehr als drei Stunden Schlaf. Die Regieassistenz muss jede Nacht um Drei die Dispo für den nächsten Tag schreiben und versenden.

Wenn Fehler passieren, werden sie harsch zusammengestaucht. Das trifft aber nicht nur die Filmstudenten, zumindest da ist der Regisseur fair,- alle werden von ihm mies behandelt.

Viel schwerer aber wiegt die Unfähigkeit des Regisseurs/Produzenten, der mal Regie führt und mal gar nicht. Viel Zeit verbringt dieser auch ketterauchend neben dem Set, während die Filmstudenten mit drei und mehr Jobs gleichzeitig belastet, permanent schuften.

 

Never ever...

Anfgangs fühlt man sich geschmeichelt, wenn man in "echten" Filmjobs eingesetzt wird, obwohl man eigentlich noch nicht viel oder gar keine Erfahrung hat. Doch wenn man erst einmal in so einem Projekt drin steckt, wird es schnell zur Horror Erfahrung. Da ist man für das Gelingen der Aufnahmen hauptverantwortlich, ohne das wirklich zu können. Geht etwas schief, wird herumgeschrien. Da muss dann Jemand, der gerade den Führerschein gemacht hat, riesige Wohnmobile durch engste Gassen manövrieren und kassiert dann Riesenärger, wenn es eine Schramme gegeben hat.

Zurück bleibt ein desillusioniertes, erschöpftes Team, Schauspieler, die sich für den Wahn eines Einzelnen hergegeben, aber zumindest manchmal gut verdient haben und wieder einmal jede Menge verbrannte Erde. Dazu muss man ganz eindeutig festhalten,- solche Erfahrungen entsprechen nicht der Realität an professionellen Filmsets, das sind schlicht und einfach unseriöse Produktionsfirmen, unfähige Selfmade-Regisseure und menschlich fragwürdige "Talente".

 

Checkliste um kein Opfer eines Chaosdrehs zu werden:

Haben die Hauptstützen des Projektes, also Produktion, Regie und Kamera einen Leistungsausweis? Haben diese Leute eine Filmographie, der man entnehmen kann, dass sie Erfahrung haben und wissen, was sie tun?

Wird die Produktion sinnvoll und mit normaler Vorlaufzeit (mindestens 2 Monate vor einem abendfüllenden Spielfilm) vorbereitet?

Wird man in Funktionen eingesetzt, die man als Newbee schaffen kann (also nicht in Bereichen wie Regieassistenz oder erste Kamerassistenz) und nicht in Jobs für die man jahrelange Erfahrung braucht?

Ist der Drehplan logisch aufgebaut und garantiert normale Arbeitstage, also maximal 10-12 Arbeitstunden am Tag?

Niemand erwartet Luxus, aber gibt es sinnvolle Essenspausen und vernünftiges Catering?

Ist die Vergütung, so niedrig sie auch sein mag, gerecht verteilt?

Gibt es einen Mindestlohn?

 

Wer eine oder mehrere Fragen mit "Nein" beantworten kann oder muss, sollte das Projekt und seine eigene Beteiligung dabei, sehr kritisch überprüfen.

 

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