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Warum etwas geschieht...

Nein, hier soll es nicht um simple Logikfehler gehen, al la "Diango Unchained", wo einfach Dynamit in die Luft gejagt wird, welches zu dem Zeitpunkt, zu dem der Film spielt, noch gar nicht erfunden war. Es geht um mehr, es geht um Filmfiguren, denen man nicht glaubt, weil die Drehbuchautor-inn-en absurde Zusammenhänge konstruiert haben.

 

Um es gleich vorweg zu nehmen, es ist wirklich schwer, gute, schlüssige Drehbücher zu schreiben, selbst erfahrene Autor-inn-en arbeiten oft Jahre an einem Drehbuch. Oft kämpft man monatelang an einem bestimmten Wendepunkt im Buch, einer Handlungsentwicklung oder einer Begründung, die einfach nicht recht gelingen will.

 

Dabei ist es für die Filmfiguren innerhalb des Drehbuchs und dann natürlich im späteren Film sehr wichtig, dass ihre Handlungen aus ihren Charakteren heraus entstehen und in sich schlüssig sind. Man möchte annehmen, dass das selbstverständlich sein sollte, ist es aber nicht, denn nicht wenige Drehbuchverläufe orientieren sich eher daran, was die Autor-inn-en gerne geschehen lassen wollen, um ihre Story in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das geschieht nicht etwa in seltenen Einzelfällen, sondern regelmäßig. Filmfiguren tun etwas, weil die Autor-inn-en wollen, dass es so geschieht. Weil es scheinbar eindrucksvoller wirkt oder schlicht notwendig ist um ein ebenfalls konstruiertes Ende rechtfertigen zu können.

 

Manchmal übersieht man als Zuschauer solche etwas seltsamen Wendungen, oder schlicht unlogischen Begründungen, manchmal fallen sie nur stellenweise auf und manchmal, wenn die ganze Prämisse einer Geschichte damit zusammenhängt, machen sie gleich einen ganzen Film trotz oft hervorragender Schauspieler unglaubwürdig.

 

Glaubwürdigkeit

Phönix

Wenn man sich beispielsweise Christian Petzolds Phönix anschaut, so ist der Film zwar solide inszeniert, aber in die Prämisse, dass in der Geschichte eine Jüdin, die als KZ-Überlebende nach dem Krieg entstellt durch eine Gesichtsoperation ein anderes Gesicht erhält und wieder zu ihrem Mann zurückkehrt und er sie nicht mehr erkennt, sind so viele Fragezeichen implementiert, dass eine Vielzahl an Zuschauern die Geschichte einfach nicht glaubt. Warum erkennt er sie nicht an ihrer Stimme, an ihrem Gang, dem Geruch, den Gesten, dem Lächeln oder gar einem Kuss? Und warum gibt sich die Hauptfigur wenn sie denn ihren Mann liebt, nicht zu erkennen, wenn dieser schon so betriebsblind ist, wie behauptet?

 

Diese Fragen begleiten den Zuschauer bedauerlicherweise bis zum Ende des Films. Petzold hat hier als Drehbuchautor und Regisseur dem Zuschauer schlicht unhaltbare Behauptungen aufzwingen wollen, die an jedem gesunden Menschenverstand abprallen. Das haben wohl auch die Schauspieler selbst gespürt, denn hier und da schimmert in ihrem Spiel ebenfalls dieses Moment des "nicht glauben Wollens" durch.

 

Hier unser Interview mit Christian Petzold zu seinem Film Jericho

 

 

Der Tod und das Mädchen

In Hans Steinbichlers "Der Tod und das Mädchen" (2017), einem "Kommissar van Leeuwen" Krimi, in dem nach 30 Jahren durch neue Analysemethoden der Täter einer Vergewaltigung einer Neunjährigen identifiziert werden kann, gibt es diverse Elemente, die man als Zuschauer nicht verstehen kann. So kommt im Verlauf des Films heraus, dass die seitdem schwer traumatisierte junge Frau den Täter entgegen ihrer damaligen Aussage sehr wohl kannte. Er lebt noch immer in unmittelbarer Nähe zur Wohnung der Mutter. Doch obwohl sie sich an dem Täter 30 Jahre lang hätte rächen können, allein schon um ihre geschundene Seele zu beruhigen, kommt sie erst nach dessen Verhaftung auf die Idee ihm ausgerechnet im Polizeipräsidium eine Flasche über den Kopf zu schlagen, was ihr Verurteilung und den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge hat.

 

Weshalb sie mit ihrer Mutter all die Jahre nie darüber gesprochen hat, bleibt ein Rätsel. Dass die Eltern mit dem Täter befreundet sind, kann da nicht als Begründung reichen. Ebenso, weshalb stets alle Hauptfiguren, also der Kommissar, seine beiden Assistent-inn-en, das Opfer, die Mutter des Opfers, der Vater des Opfers und zumeist auch der Täter selbst wie mit einem imaginären dramaturgischen Reisebus an praktisch alle relevanten Handlungsorte gelangt sind, bleibt ebenfalls unverständlich. Der Wunsch dahinter ist nachvollziehbar, man hat alle Beteiligten als Dialoggeber stets dabei, doch reale Polizeiarbeit sieht anders aus. Starke Schauspieler transportieren auch hier überzeugend die Emotionen und verhindern dadurch, dass die Story auseinanderfällt.

 

Hier unsere Filmkritiken zu den Filmen "Das Tagebuch der Anne Frank" und "Winterreise" von Hans Steinbichler

 

 

Verdeckungseffekte

In beiden Beispielen hilft eine eigentlich wichtige und von den Darsteller-inne-n auch emotional stark gespielte Geschichte dabei, die eigentlich eklatanten Logikmängel zu überdecken. Das gelingt mal mehr und mal weniger, zeigt aber deutlich, dass auch die besten Schauspieler nicht gänzlich gegen gravierende Logikfehler in den Drehbüchern anspielen können. Auch visuelle Experimente, Toncollagen und mehr können nicht gegen substanzielle Fehler ankommen.

 

Oft sind es auch Recherchefehler oder schlicht Nachlässigkeit, weshalb bestimmte Logikfehler auftreten. Es kann aber auch das starke Ego der Autoren / Regisseure sein, welches konstruktive Kritik, die es eigentlich im Entstehungsprozess eines solchen Filmes an der einen oder anderen Stelle gegeben haben muss, unterdrückt oder wegargumentiert. Eigentlich fragt man sich ein wenig, weshalb das bei den oben genannten Beispielen nicht ausreichend geschehen ist. Immerhin schauen auch Redakteure und Dramaturgen auf die Drehbücher, bevor sie verfilmt werden.

 

 

Gegenmaßnahmen

Filmcharaktere müssen wie die Menschen im richtigen Leben, ihr Handeln als Summe unterschiedlicher Gegebenheiten, Befindlichkeiten und natürlich ihrer bestenfalls sauber angelegten Backstory im Drehbuch fortsetzen. Nur wenn sich Verhaltensweisen und Ereignisse logisch nachvollziehbar aus den Filmfiguren heraus ergeben, werden die Zuschauer der Filmhandlung glauben und auch emotional folgen.

 

Es lohnt sich jedenfalls immer, seine Drehbücher von fachkundigen Dritten lesen zu lassen und Fragen nach der inneren Logik oder Glaubwürdigkeit der Filmfiguren sehr ernsthaft nachzugehen.  Änderungen im Drehbuch kosten nicht viel, ist der Film aber erst einmal "in den Brunnen" gefallen, helfen selbst artifiziellste Montagekontruktionen nicht mehr über den fehlerhaften Kern der Erzählung hinweg.

 

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