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So wie es "Slow Food" oder "Slow Sex" gibt, kann man das Wandern im Film als eine Art "Slow Roadmovie" ohne Auto bezeichnen. Es gibt eine ganze Reihe von Filmen, in den das Wandern eine zentrale Rolle spielt, nicht nur als Abenteuer sondern auch etwa bei Pilgerwegen und Ähnlichem als Selbstfindungsreise oder auch als symbolische Metapher. Der Weg ist das Ziel, könnte man sagen, es macht etwas mit Menschen und insbesondere mit Filmfiguren, wenn Sie zu Fuß lange Strecken zurücklegen, wenn nicht sogar überwinden müssen. Wir sprechen dabei natürlich nicht von einem eigenen Filmgenre sondern von einem Filmthema oder einer filmsprachlichen Symbolik, das Wandern ist in Filmen unterschiedlichster Genres anzutreffen.

 

Teil unserer DNA

Grundsätzlich spielt das Wandern im Leben des Menschen eine sehr wichtige Rolle, was mit der Evolutionsgeschichte zusammenhängt. Unsere Vorfahren waren Jäger und Sammler und mussten, um zu überleben, weite Strecken zurücklegen. Das hat uns Menschen geprägt und unser Organismus und auch unser Gehirn sind darauf optimiert. Heute, wo wir nicht mehr jagen und sammeln müssen, bedeutet das Wandern, dass wir unseren gewohnten Alltag verlassen und eine gewisse Freiheit genießen. Zudem findet das Wandern meist in der Natur statt, es steht also auch für eine Wertschätzung, eine Achtsamkeit der Natur gegenüber. Psychologisch gesehen bedeutet das Wandern Stressabbau, denn die Natur beruhigt und stärkt die Psyche. Man konzentriert sich auf nichts Anderes, als den Weg und die Natur. In zahlreichen Märchen gehen die Hauptfiguren wandern, manchmal nur durch einen dunklen Wald, manchmal um die halbe Welt.

Wandern kann, wenn es sich um lange, mühsame Strecken handeln, auch eine Herausforderung bedeuten, man hat ein Ziel und will es trotz großer Anstrengungen auch erreichen. Wandern ist deshalb ein Sport, der Ausdauer und Durchhaltevermögen verlangt. Sein Ziel zu erreichen erzeugt in den Protagonisten Stolz auf die eigene Leistung. Das gilt für den Pilgerweg genauso wie für die Alpenüberquerung. Wandern steht auch für Einfachheit, für Aufbruch in unbekannte Bereiche, für Suche, für Entdeckungen und für Erlebnisse. Filme wie "A Walk in the Woods" (Regie: Ken Kwapis, USA 2015) oder "Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" (Regie: Ben Stiller, USA 2013) vermitteln diese Erfahrungen der Entschleunigung nachdrücklich.

Doch das Wandern kann auch für den Überlebenskampf eines oder mehrerer Menschen stehen, Filme wie "127 Hours" (Regie: Danny Boyle, USA 2011) oder "The Revenant" (Regie: The RevenantAlejandro González Iñárritu, USA 2016) erzählen von solchen Extremsituationen.

 

Asiatisches Kino

Natürlich haben wir es bei diesen Themen stets mit der symbolischen Bedeutung des zurückzulegenden Weges zu tun. Insbesondere im Asiatischen Kino spielen ausgedehnte Wanderungen eine wichtige Rolle. Selbst in animierten japanischen Filmen wie ""Mein Nachbar Totoro", "Prinzessin Mononoke" oder "Reise nach Agartha" wird sehr viel gewandert. Das liegt nicht zuletzt an der tiefen symbolischen Bedeutung, welche das Wandern in Asien besitzt. Es wird dort häufig mit Spiritualität, Selbstfindung und Veränderung verknüpft und steht für eine innere Reise, die weit über die körperliche Anstrengung hinausgeht.

In Indien, China, Japan oder auch Tibet legen Mönche und Gläubige oft weite Strecken wandernd zurück, um heilige Orte zu erreichen. Wandern gilt zudem in Japan im ZEN Buddhismus als eine Meditationsform (Kinhin genannt) welche durch langsame und bewusste Fortbewegung zur Erleuchtung führt. Im chinesischen Daoismus steht das Wandern für den Einklang mit der Natur und der Loslösung von weltlichen Problemen und Sorgen. Wandern in der Literatur oder auch im Film steht stellvertretend für eine persönliche Entwicklung oder den Übergang in eine neue Lebensphase der Protagonisten. Wer sich auf eine lange Wanderung begibt, gibt demnach seine alte Identität auf und kehrt als ein neuer Mensch zurück. Das Gehen zu Fuß, statt ein Verkehrsmittel zu nutzen, ist ein Zeichen von Bescheidenheit und belegt eine enge Verbindung zur Erde und den Lebewesen.

Häufig steht der Weg symbolisch für das Leben, er ist verknüpft mit vielen Anstrengungen, Herausforderung, er wartet mit Rückschlägen auf, doch zuletzt wachsen die Protagonisten an dem zurückgelegten Weg. Vielleicht ist dies ein weiterer Grund dafür, dass Zuschauer von Filmen rund um das Wandern emotional berührt werden, darüber nachdenken und vielleicht auch ihr eigenes Fernweh aufladen.

 

Wandern 1 Wald 4000

 

Filmliste

  • "Musashi Miyamoto" (Regie: Hiroshi Inagaki, Japan 1954)
  • "Mein Nachbar Totoro" (Regie: Hayao Miyazaki, Japan, 1988, Animationsfilm)
  • "Seven Years in Tibet" (Regie: Jean-Jacques Annaud, USA 1997)
  • "Prinzessin Mononoke" (Regie: Hayao Miyazaki, Japan, 1997, Animationsfilm)
  • "Der Herr der Ringe-Trilogie" (Regie: Peter Jackson, USA 2001–2003)
  • "The Twilight Samurai" (Regie: Yōji Yamada, Japan, 2002)
  • "Spring, Summer, Fall, Winter… and Spring" (Regie: Kim Ki-duk, Südkorea, 2003)
  • "The Hidden Blade" (Regie: Yōji Yamada, Japan, 2004)
  • "Mountain Patrol – Kekexili"(Regie: Lu Chuan, 2004 China)
  • "Saint Jacques … Pilgern auf Französisch" (Regie: Coline Serreau, F 2005)
  • "Into the Wild" (Regie: Sean Penn, USA 2007) 
  • "Zen" (Regie: Banmei Takahashi, Japan, 2009)
  • "The Way – Der Weg des Lebens" (2010)
  • "The Japanese Wife" (Regie: Aparna Sen, Indien, 2010)
  • "127 Hours" (Regie: Danny Boyle, USA 2011)
  • "Reise nach Agartha" (Regie: Makoto Shinkai, Japan, 2011, Animationsfilm)
  • " The Way – Der Weg des Lebens" (Regie: Emilio Estevez, USA, Spanien 2012)
  • "Grenzgänger" (Regie: Florian Flicker, D 2012, Doku)
  • "Tracks" (Regie: John Curran, Australien 2013)
  • "A Story of Yonosuke" (Regie: Okita Shûichi, Japan, 2013)
  • "The Tale of Iya" (Regie: Tetsuichiro Tsuta, Japan, 2013)
  • "Wild – Der große Trip" (Regie: Jean-Marc Vallée, USA 2014)
  • "Ich bin dann mal weg" (Regie: Julia von Heinz, D 2015)
  • "Paths of the Soul" (Regie: Zhang Yang, China, 2015)
  • "Kaili Blues" (Regie: Gan Bi, China, 2015)
  • "The Revenant" (Regie: The RevenantAlejandro González Iñárritu, USA 2016) 
  • "Weit. Die Geschichte von einem Weg um die Welt" (Regie: Gwendolin Weisser, Patrick Allgaier, D 2017, Doku)
  • "Edie – Für Träume ist es nie zu spät" (Regie: Simon Hunter, GB 2017)
  • "Little Forest" (Regie: Yim Soon-rye, Südkorea, 2018)
  • "Ode to the Goose" (Regie: Zhang Lü, Südkorea, 2018)
  • "303" (Regie: Hans Weingartner, D 2018)
  • "Ailo – Das kleine Rentier" (Regie: Guillaume Maidatchevsky, 2018, Finnland/Frankreich/Norwegen)
  • "Himmel über dem Camino - Der Jakobsweg ist Leben!" (Regie: Noel Smyth, 2019)
  • "Nur die Füße tun mir leid" (Regie: Gabi Röhrl, D 2019, Doku)

 

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