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Interview mit Jan Kurbjuweit

Jan Kurbjuweit auf der Berlinale

Jan Kurbjuweit auf der Berlinale

 

Movie-College: Wie verlief Dein Werdegang nach dem Erfolg von "Franta"?

 

Jan Kurbjuweit: Ich war danach in erster Linie fürs Fernsehen tätig. Nach "Franta" kamen von den verschiedenen Fernsehsendern sehr viele Angebote. Mich hat das damals aber alles völlig überrannt. Ich hatte weder eine Agentur noch irgendeine andere Art von Beratung. Das hatte zur Folge, dass ich mich erst mal zurückgezogen habe und erst später wieder eingestiegen bin. Allerdings auf einer anderen Ebene und nicht mehr so erfolgreich. Für das ZDF habe ich dann den 10-Teiler "Regina auf den Stufen" gemacht. Auch kam es zu einer Zusammenarbeit mit Nico Hoffman und Claude Chabrol.

 

Movie-College: Was für eine Ausbildung hast Du absolviert?

 

Jan Kurbjuweit: Ich habe an der Folkwang Hochschule in Essen eine Schauspielausbildung gemacht. In den darauffolgenden Jahren habe ich u.a. in Heidelberg, Stuttgart, Berlin und Zürich Theater gespielt, bis Mathias Allary mich schließlich entdeckt hat.
Vorher hatte ich mich gar nicht in Richtung Film bemüht. Eine Kollegin hatte mich überredet, dass ich für "Franta" vorsprechen soll. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir gerade eine Auszeit vom Theater genommen, um mich mehr meinen anderen künstlerischen Fähigkeiten zu widmen. Ursprünglich wollte ich Kunst und nicht Schauspiel studieren.
Zur Schauspielerei bin ich erst durch eine langweilige "Faust"-Inszenierung unseres Abitur-Jahrgangs gekommen. Mich hat das "sich anbiedern" meiner Mitschüler so gestört, dass ich kurzerhand eine Gegeninszenierung gestartet habe und zwar den "Traum eines Schülers". Ich hab das Stück selbst geschrieben, gespielt und Regie geführt. Vorher war ich zwar in einigen Theater- Ag`s und habe auch mal bei einer Aufführung der "Dreigroschenoper" Schlagzeug gespielt. Aber erst da ist der Funke so richtig übergesprungen, dass ich mich anschließend bei der Folkwangschule beworben habe, bei der ich sogar gleich genommen wurde.

 

Movie-College: Du arbeitest jetzt hauptberuflich als Synchronsprecher. Wie wird man Synchronsprecher?

 

Jan Kurbjuweit: Indem man arbeitsloser Schauspieler ist, vom Theater möglicherweise genug hat oder nicht die entsprechenden Rollen angeboten bekommt. Man steht quasi auf der Strasse und würde gerne wieder drehen, doch leider bleiben die Angebote aus. Also hat man eigentlich gar keine andere Wahl, als sich ein wenig umzuschauen und versucht vielleicht etwas in Richtung Rundfunk, Hörspiel oder Synchron machen zu können. Ich bin über einen Kollegen zum Synchron gekommen. Der hat mich mit ins Studio genommen und ich hatte so die Gelegenheit mir alles in Ruhe anzusehen. Ich fand es dort äußerst spannend und sah außerdem die Möglichkeit mich noch weiter entwickeln zu können. Daraufhin habe ich beschlossen, dass ich dort einsteigen möchte.
Man fängt mit sogenannten Mengeterminen an. Massenszenen werden von Mengesprechern synchronisiert. Manchmal kommt es dann auch zu Einzelterminen, wo beispielsweise ein Briefträger gesprochen werden soll. Es zeigt sich sehr schnell, ob man Talent hat und dem Druck der in den Aufnahmestudios herrscht, standhalten kann. Zuerst hört man in das Original rein, achtet auf den Rhythmus und die Art wie gesprochen wird. Ist die Person jünger oder schon älter, welchen Charakter hat sie. Dann wird das ganze einmal geprobt und gleich darauf aufgenommen.

 

Movie-College: Kommt es dann auch zu Leistungs- und Konkurrenzdruck?

 

Jan Kurbjuweit: Der Leistungs- und Konkurrenzdruck ist nicht zu verachten. Man kommt oft in Situationen, in denen man im Kreise der Kollegen aus der Menge heraus aufgefordert wird einen Einzelnen zu sprechen. In solchen Momenten darf man sich dann nicht aus der Ruhe bringen lassen und muss sich weiterhin gut konzentrieren.
Wenn man dann vier oder fünf mal die geforderte Leistung nicht erbringt, ist man sehr schnell wieder draußen. Sonst wird das ganze zu teuer, denn der Regisseur, das Studio, der ganze Betrieb kostet viel Geld, da kann man sich Verzögerungen nicht leisten.

 

Movie-College: Hast du vorher ein spezielles Stimmtraining gemacht?

 

Jan Kurbjuweit: Während meiner Zeit an der Schauspielschule habe ich auch ein umfangreiches Stimm- und Sprechtraining bekommen. Diese Fertigkeiten sind für die Tätigkeit eines Synchronsprechers unerlässlich.

 

Movie-College: Wir bekommen oft Anfragen von Leuten, die direkt Synchronsprecher werden wollen, also ohne den Weg über die Schauspielerei. Ist es sinnvoll, etwas zu synchronisieren, wenn man nicht den schauspielerischen Background hat, sich in die Figur auch einzufühlen?

Jan Kurbjuweit: Soweit ich weiß, werden z.B. in Berlin von dem Regisseur und Schauspieler Joachim Kunzendorf spezielle Kurse angeboten. Von dort kommen dann öfter mal welche, aber meistens sind sie auch schnell wieder verschwunden. Die wenigsten schaffen es wirklich sich durchzusetzen. Man lernt vielleicht den Ablauf und ein paar Techniken, z.B. das Changieren. Das bedeutet, dass man mit der Stimme etwas drüber gehen muss. Mehr als beim alltäglichen Sprechen. Aber das alles ersetzt noch kein schauspielerisches Talent. Die meisten erfolgreichen Synchronsprecher sind Schauspieler. Allerdings gibt es auch Synchronsprecher, die bereits als Kinder angefangen haben und später nie eine Schauspielausbildung oder ähnliches absolviert haben.

 

Movie-College: Was würdest du jemandem raten, der in Richtung Synchronsprechen gehen möchte. Solche Kurse scheinen in Deinen Augen ja nicht so sinnvoll zu sein?

 

Jan Kurbjuweit: Solche Kurse sind insofern sinnvoll, um überhaupt fürs Synchronsprechen mal ein Gefühl zu bekommen: Auf diese Weise kann man selbst herausfinden, ob man Talent dafür hat und es einem Spaß macht. Ich weiß das gerade junge Leute oft von den Kursen kommen, sich dann einem Aufnahmeleiter oder einer Firma vorstellen und einen Mengetermin bekommen. Dort müssen sie sich dann beweisen. Wenn sie allerdings nach zwei, drei oder viermal die geforderte Leistung nicht erbringen, bekommen sie so schnell keinen neuen Termin mehr. Das ist der Weg.

 

Movie-College: Welche Möglichkeiten gibt es die Stimme fürs Synchronsprechen zu trainieren?

 

Jan Kurbjuweit: Die Stimme trainiert man gar nicht so sehr. Viel wichtiger ist das man spielen kann. Sehr wichtig sind außerdem ein musikalisches Gehör und Einfühlungsvermögen. Man hört sich den entsprechenden Take an, achtet auf den Sprechrhytmus, versucht sich in die Situation hineinzuversetzen, damit man die Stimme glaubwürdig transportieren kann.

Movie-College: Gibt es spezielle Agenturen, die Synchronsprecher vermitteln, an die sich auch der Nachwuchs wenden kann?

 

Jan Kurbjuweit: Nein, in Berlin zumindest nicht. In der Regel geht man zu den Firmen und stellt sich dort bei den Aufnahmeleitern vor. Am besten mit einer Vita, Foto und einer Stimmprobe auf CD. Die beinhaltet verschiedene Texte, die man gesprochene hat, also z.B. etwas witziges, Werbung, Nachrichten. Vielseitigkeit ist dabei wichtig. Man sollte auch nicht so schnell aufgeben und wenn es sein muss alle Firmen kontaktieren um sich dort vorzustellen.
Ich habe bei einer Firma einen Disponenten. Alle Firmen in Berlin wissen, dass dieser Aufnahmeleiter für mich zuständig ist und wenden sich an ihn, wenn sie mich für etwas buchen wollen. In der Woche bekommt er 20 Bewerbungen, wovon die wenigsten wirklich eine Chance haben. Deswegen ist es wichtig, dass man hartnäckig ist, immer wieder nachfragt und so im Bewusstsein bleibt. Das Beste ist allerdings wenn man bereits etwas vorweisen kann z.B. Werbung, Rundfunk etc.
Um sich vorzubereiten, ist es sehr sinnvoll, sich so viele Filme wie möglich anzuschauen und dann genau darauf zu achten, wie diese Filme synchronisiert sind. Auch das laute Lesen von Büchern, Nachrichten oder Werbung kann sehr hilfreich sein.
Man hört allerdings nie wirklich die Realstimmen, vielmehr gehen die Sprecher mit ihrer Stimme ein wenig drüber. Trotzdem darf es aber nicht künstlich klingen, sondern ehrlich.
Es werden auch immer wieder neue Stimmen benötigt, deswegen sollte man sich nicht so schnell entmutigen lassen.

 

Movie-College: Wie sieht es mit dem Hörfunkbereich aus?

 

Jan Kurbjuweit: Früher haben sie für Ihre Archive immer wieder neue Stimmen gesucht, mittlerweile ist der Bedarf nicht mehr so groß.

 

Movie-College: Was hast du bisher als Synchronsprecher gemacht?

 

Jan Kurbjuweit: Sehr viele Zeichentrickfilme, aber auch Realfilme und Serien.
Einmal habe ich z.B. für einen Zeichentrickfilm ein Staubwölkchen gesprochen. So etwas macht sehr viel Spaß, da man dabei spielen kann und verrückt sein darf. Wie klingt eine Staubwolke oder ein Papagei? Es ist ein schönes Gefühl, wenn man sieht, dass man der Figur auf dem Papier Leben einhaucht.

 

Movie-College: Was machst Du lieber: Eigene Figuren kreieren oder von einer anderen Sprache ins Deutsche zu synchronisieren?

 

Jan Kurbjuweit: Das ist schwer zu beantworten, da beides seinen Reiz hat.
Der reale Film ist feiner und daher wahrscheinlich die größere Herausforderung, da der Zuschauer nicht merken darf das es synchronisiert ist, sondern denken soll, dass der das jetzt spricht. Spaß macht es natürlich wenn man in den Zeichentricks richtig Saft gegeben darf, man rumspielen kann. Eine Herausforderung war z.B. mal, als ich für eine Werbung einen Hund sprechen sollte, der erst real ist und winselt und dann auch richtig spricht.

 

Movie-College: Kommt es auch vor das Du innerhalb einer Serie oder eines Films mehrere Personen sprichst? Ist es stimmlich machbar das man mehrere Rollen spricht?

 

 

Jan Kurbjuweit: Bei den Mengeterminen spricht man auch mal mehrere verschiedene Typen. Das hört auch keiner, der Zuschauer kann es nicht unterscheiden.

 

Movie-College: Hat es lange gedauert bis du von den Mengeterminen zu dem Punkt gekommen bist, an dem du davon leben konntest?

 

Jan Kurbjuweit: Ich hab ziemlich schnell von den Mengeterminen leben können, die sind schon relativ gut bezahlt. Um mal einen Anhaltspunkt zu geben: Man hat einen Mengetag im Studio von 9-18 Uhr, ist dort den ganzen Tag über mit vielen Leuten zusammen, es ist dunkel und sehr anstrengend, wird aber gut bezahlt. Ich wurde damals mit 250 € am Tag bezahlt. Wenn du das hochrechnest: 2 Tage in der Woche... so hab ich mich damals finanziert.

Movie-College: Ist das heute noch so?

Jan Kurbjuweit: Es kann sein das die heute weniger zahlen, vielleicht 200 €. Und wenn man anfängt, dann Rollen zu sprechen, kommt schon einiges zusammen. Aber dafür muss man auch einiges sprechen. Hier in Berlin ist es so, dass man pro Take bezahlt wird und seit 1996 ist der Preis pro Take gleich, nämlich 2,50 €.
Die großen Sprecher bekommen dann natürlich mehr oder handeln Pauschalen aus.
Weitere Regeln sind, dass 1-10 Takes 50 € kosten. Früher gab es für die Anreise 25 € und für jeden Take bekam man dann 2,50 €. Im nächsten Schritt erhöht man die Grundgage: 150 € dafür, dass man kommt und 2,50 € für jeden Take. Die Kommgage erhält man jeden Tag neu.

 

Movie-College: Ist man dann jedes Mal den ganzen Tag im Studio?

 

Jan Kurbjuweit: Nein nicht unbedingt, man hat oft auch mehrere Termine an einem Tag in verschiedenen Studios. Je nachdem, wie man gebucht ist, hat man dann pro Termin eine Grundgage plus die gesprochenen Takes bekommen. Das ist nicht immer so, aber es kommt vor, dass sich das häuft.
Das schöne in dem Beruf ist, dass man auch mal wieder freie Zeit hat. Mir kommt das sehr entgegen, da ich auch gerne mal in Ausstellungen gehe, Freunde besuche oder mich irgendwelchen Aktivitäten widme. Der Nachteil ist allerdings, dass man nicht weit im Voraus planen kann, da man immer erst abends die Termine für morgen weiß. Damit muss man umgehen können. Mich nervt es mittlerweile ein bisschen, da ich nicht so über mein leben entscheiden lassen möchte. Aber wenn man schon ein bisschen im Geschäft ist, kann man dem Disponenten auch schon mal sagen, dass man jetzt mal für zwei Tage nicht da ist.

 

Movie-College: Ist Berlin die Stadt fürs Synchronsprechen oder gibt es da auch andere Städte?

 

Jan Kurbjuweit: Es gibt viele Firmen in Berlin. Aber auch in München, Hamburg oder
Frankfurt. Hannover ist eher Porno, mich hat das nie so gereizt. Vielleicht wäre es auch mal spannend, das zu machen.

 

Movie-College: Verträgt sich denn Dein Image damit Porno zu Synchronisieren?

Jan Kurbjuweit: Je vielseitiger desto besser. Da gibt es das Schubladendenken nicht so, wie es z.B. bei der Schauspielerei der Fall ist. Aber über das Synchronisieren von Pornos wird nicht so offen gesprochen, man kriegt es eher am Rande mit.

Movie-College: Und nun unsere Letzte Frage: Du wohnst hier in Berlin, wegen dem Job oder des kulturellen Angebots?

 

Jan Kurbjuweit: Wegen der Liebe und dann war es mit der Liebe aus und ich bin hier hängen geblieben. Dann hab ich mit dem Synchronsprechen angefangen, aber die kulturellen Angebote sind nicht zu verachten.

 

Movie-College: Vielen dank für das Interview.

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