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"You can handle the truth"

Medientage Foyer

Foyer und Austellungshalle der Medientage

Beim diesjährigen Medientage-Panel von National Geographic Partners ging es um die Rolle und Position des sogenannten "Factual Entertainment's" (auch als Dokutainment bekannt) zwischen Realitätsflucht und Eye-Opening. National Geographics Programming Director Axel Gundolf übernahm die Moderation und überraschte seine vier Gäste mit kniffligen Themen und Fragen.

 

Hamish Mykura

(Executive Vice President Programming and Development National Geographic) gab ein erstes Beispiel: Wenn man in einem Kinosaal voll mit Menschen am Anfang eines Dokumentarfilms verkünden würde „so Leute setzt euch hin jetzt kommt Etwas Gutes für Euch, macht Euch Notizen, denn am Ende folgen Fragen, dann wäre der Saal in null Komma nix leer".

 

Oft gehe es um den Kontext in welchem bestimmtes Bildmaterial gezeigt werde. Gerade bei verstörenden, aufwühlenden Bildern müsse das Ensemble stimmen. Wenn beispielsweise über ein bestimmtes tragisches Thema ein aufklärender, detaillierter Bericht läuft, könne man das Material besser einsetzen als bei einer sehr weit hergeholten Dokumentation. Bei letzterer lohnt es sich nicht so einen radikalen, schockierenden Inhalt zu veröffentlichen welcher aus dem Zusammenhang gerissen scheint.

 

Hannes Jaenicke und Hamish Mykura

Hannes Jaenicke und Hamish Mykura

Es sei nicht immer einfach, erschütterndes Material dem Zuschauer nahe zu bringen. Storytelling hilft uns oft, das Ganze zu entschärfen und die Erträglichkeitsgrenze der Zuschauer zu erweitern. Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Doku-Feature welches National Geographics über den Elfenbein Schmuggel in Afrika produziert habe. Um die grausamen Aufnahmen zu entschärfen, habe man den Zuschauer auf eine Art James Bond Story eingeladen wo der heroische Moderator sich auf die Suche und Jagd nach Verbrechern gemacht hat. Im Laufe der Sendung gelang es dann sogar einige Kriminelle dank GPS zu stellen und zur Rechenschaft ziehen.

 

Zu entscheiden, was gesendet wird und was nicht, sei gar nicht so einfach. Es passiere schon mal, dass ein Filmemacher sauer sei weil sein bester Shot zensiert wurde.

Wenn man einen internationalen Hit landen möchte, sollte man vor allem auf die Qualität der Produktion achten. National Geographics mache meist eine Version für den amerikanischen Markt und strahle diese dann überall in der Welt aus. Natürlich sollte es nicht zu amerikanisiert erscheinen, denn jedes Land bzw. Volk hat unterschiedliche Präferenzen. Während die Spanisch sprachigen Länder es gerne Sexy, wild und aktionsreich mögen, sollte der Content für den asiatischen Markt möglichst informativ und etwas langsamer/ruhiger sein. Aber nicht nur die Qualität spiele eine Rolle. Manchmal entscheide der Zugang zu gutem Journalismus und Informationen darüber, ob ein Format siegt oder zu Grunde geht. Es gehe darum den Zuschauer an seine Marke zu binden, sodass er auch über das Fernsehen hinweg deinen Content aufrufen wird.

 

Bei einem sind sich alle einig. Die nächtlichen Ratings verlieren immer mehr an Wichtigkeit. Durch On-Demand Streaming kann die Reichweite einer Produktion im Nachhinein erheblich erhöht werden.

 

Der Emmy nominierte Dokumentarfilmregisseur Justin Hall wollte niemals vor der Kamera stehen. Sein Ziel war es, einfach nur tolle Geschichten zu erzählen. Da er jedoch anfänglich kein Geld hatte, um einen Moderator zu bezahlen und es zudem schwierig gewesen wäre eine Person von seiner Motivation und Passion zu überzeugen hat er es letzten Endes selbst übernommen.

 

Hannes Jeanicke

(Schauspieler und Dokumentarfilmer)

Gäste des Truth-Panels

Moderator und Gäste des Truth-Panels

Auf die Frage ob ihm schon mal Material zensiert worden sei, antwortet Jeanicke, dass der Wunsch, selbst zu produzieren durch die extreme Zensierung der Sender entflammt wurde. Bei einem Dokumentarfilm ging er zum Geschäftsführer des Senders und schaffte es ihn zu überreden, ein ihm verwehrtes Material – schockierend, dramatisch und tragisch - doch zu veröffentlichen. Als dann die Ausstrahlung stattfand, hatten sie überdurchnittlich viele Zuschauer und es schienen immer mehr zu werden. Plötzlich, als die so wichtige Szene ausgestrahlt wurde stürzten die Zuschauerzahlen in den Untergrund. Nichts als Stille. Es stelle sich die Frage wie viel an tragischer Wahrheit können wir zeigen bevor die Zuschauer den Fernseher ausmachen und wie sehr wollen wir deren Sensibilität verletzen.

 

Um über bestimmte Naturkatastrophen zu berichten habe man oftmals Tiere benutzt. Die Geschichte eines Uran Utan Babies welches im Regenwald wegen der Abholzung seine Mutter verloren hat, sei für den Zuschauer interessanter und berührender als wenn man einfach nur berichten würde, über die Zerstörung des Waldes.
Die Fernsehsender seien meistens dümmer als die Zuschauer. Während der Zuschauer nach 3 Minuten eines Krimis ahne wer der Mörder ist, denken die Sender sie müssten die Zuschauer vor tragischen Wahrheiten schützen.

 

Auf die Frage ob es Situationen im Dokumentarfilmbereich gäbe, bei dem ihm sein Berühmtheitsgrad im Wege stehe, antwortet Jaenicke, in Amerika sei es ganz normal, dass Schauspieler wie Leonardo DiCaprio oder Clouney Dokumentarfilme produzierten, während hier in Deutschland die Menschen sich fragen, ob andere Schauspieler und er etwa so pleite geworden seien, dass sie nun Dokus produzieren müssen. Schon merkwürdig, meint Jaenicke, aber wundern brauche man sich nicht, in einem Land wo das Wort „Gutmensch" eine negative Konnotation habe.

 

Das Positive am berühmt sein sei, dass er mehr Geld zur Verfügung gestellt bekäme, als viele andere Produktionen. Allgemein sei es schockierend wie unterfinanziert das Dokumentarfilmgenre in Deutschland sei. Er hoffe Dokumentarfilm werde genauso wie in Amerika derzeitig noch einen Boom erfahren.
Früher habe er mehr Zeit vor der Kamera verbracht. Nun wünsche er sich mehr hinter der Kamera zu stehen um sich seinem wahren Ziel zu widmen: Die Welt ein bisschen besser machen.

 

Elke Walthelm

Auch Sky hat es sich zum Ziel gemacht, mehr Dokumentarfilme zu senden. Durch seinen neuen Sender Sky Arts werden dem Zuschauer nun 24/7 Dokumentarfilme zur Verfügung gestellt. Diese seien jedoch laut Executive Vice President Content (Sky Deutschland) Elke Walthelm eher schön, kreativ und weniger dramatisch entsprechend dem Thema Kunst.

 

Viele Menschen schauten Dokumentarfilme weil es Sozial erwünscht sei und nicht weil es sie unbedingt begeistere. Bei den Sky Umfragen gäben deutlich mehr Haushalte an, Dokumentarfilme anzusehen als sie es tatsächlich tun.

 

Elke Walthelm erläutert, dass es für ihre Marketing Kollegen schwieriger sei, einen Dokumentarfilm zu vermarkten, welcher kein Franchise oder Merchandise beinhaltet als eine beliebte Serie.

 

Emanuel Rotstein

(Director Production, die lokalen Eigenproduktionen der Sender HISTORY und A&E)

Bei einer Umfrage die man bei den Zuschauern von History durchgeführt habe, kam heraus dass 70% denken, dass das Wichtigste an Dokumentargenre sei, zu informieren. Nur 30% meinten es dürfe auch unterhaltsam sein. Im Grunde sei es die Kunst den Zuschauer zu entertainen ohne dass er es bemerkt. Wenn der Zuschauer zugäbe, dass er sich amüsiert, hätten man keinen guten Job geleistet.

 

Die Nutzung von Musik in Holocaust Dokumentationen galt lange als verpönt – noch bevor Schindlers Liste rauskam – es sei ein No-Go Gefühle zu erzwingen. Dabei sei die Musik so essentiell damit man die Zuschauer nicht zu Beginn verliert.

 

Manchmal müsse man Bildmaterial veröffentlichen auch wenn es den Zuschauer verstöre. Beispielsweise gab es eine Dokumentation über das Dachauer Konzentrationslager. Natürlich sei es schlimm die Aufnahmen von ausgehungerten halbtoten Gestalten anzusehen und zu veröffentlichen. Es sei jedoch von enormer Bedeutung und Wichtigkeit diese so dunklen, und schrecklichen Bilder zu sehen, um zu verstehen was Freiheit und Befreiung bedeuteten.

 

Der Film "The Liberators" sei in englisch verfilmt worden, um international anerkannt sein zu können. Es sei History schon öfter passiert, dass sie ein lokales Thema verfilmt hatten und internationale Reaktionen darauf bekommen haben.
Man habe vielleicht kein Geld, aber man habe Herz und Seele und manchmal kämpfe man auch. Und man brauche eine Geschichte die noch nicht erzählt wurde.
Manchmal gehe es weniger um die Ratings als um die Gesamtresonanz auch auf Social Media oder Artikeln in Fachzeitschriften.

 

Für das Movie-College berichtete Lucy Allary vom Panel

 

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