MC18 NOV17x2

Open menu

Social Media Icons Shop 55

Ballon wird fotografiert

 

So mancher von uns kennt sie noch, diese als Familienzusammenhalt getarnten Selbstbestätigungsabende der Väter, welche das Investment in die Spiegelreflexausrüstung, die Schlepperei auf höchste Berggipfel oder in heißeste Wüstenebenen, das Schneiden der Filmstreifen und Einrahmen wenigstens ab und an durch ungeteilte Aufmerksamkeit belohnt wissen wollten. Da wurden dann Rollleinwand und Diaprojektor in Stellung gebracht, Fenster verhängt und riesige Stapel mit Diamagazinen, die Munition quasi, auf dem Projektionstisch gestapelt. Ja es stimmt, es gab auch Ausnahmen, jene kurzweiligen, durch radikale Selektion und dramaturgische Lenkung kurzweiligen Abende, doch zu 90 % hatten Diaabende eher den Charakter asiatischer Folterkammern.

Die allgegenwärtige Verfügbarkeit von tageslichtfähigen Bildschirmen ließ die verdunkelte Diashow nahezu aussterben, vor allem sind Betrachter nicht mehr zwingend dem Umschaltrhythmus des Vorführenden ausgeliefert, ja sie können sogar per Thumbnail oft selbst eine Auswahl treffen, was sie anschauen möchten. Irgendwie fühlt sich das nach Befreiung an, wären da nicht schon längst würdige Nachfolger der Diashow nachgerückt.

Es sind nicht mehr die schweren Kameraausrüstungen, sondern kleine, leichte Kameras, die auf Brust, Fahrradlenker oder Helm gespannt, in der Hand, an Selfie-Sticks oder sonstwo platziert, dank großer Speicherkarten neben manchmal Interessantem auch gerne stundenlang gefilmte Inhaltsleere aufzeichnen. Was für ein Triumpf über das Dia-Magazin, man drückt nur noch auf Record und schon kann man ohne lästige Auswahlarbeit, ohne Einrahmen oder Sortieren, bedeutende Ereignisse des eigenen Lebens festhalten.

Wie etwa die letzte Mountainbike-Tour (Mountain-Biking Videos), den letzten Skateboard-Nachmittag (Skateboard Selfies) das morgendliche Zähneputzen (Morning routine Videos), den Einkaufsbummel (Shopping-Selfies), die abendliche Rückkehr nach Hause (Evening Routine Videos) seinen Mitmenschen aufs Auge drücken. Der überwältigende Anteil der unzähligen Uploads bei den einschlägigen Plattformen fristet wegen des völligen Fehlens an Inhalt, Fantasie und Aufbau verständlicherweise eher ein Schattendasein.

Viele Videos werden definitiv nur von ihren Machern hin und wieder angeklickt. Gestaltung wäre hier sicher die adäquate Lösung, doch die muss man erstmal lernen und sie macht Arbeit. Wird man von Selfie-Begeisterten dazu angehalten, sich mit ihnen gemeinsam diese medialen Erzeugnisse anzuschauen, wird es schwer, sich zu entziehen. (Kennwort: Diaabend) Der verschickte Link zum Online-Video macht es da schon leichter, sich mit sanfter Ignoranz zu schützen.

Bis die Nachfrage kommt: Und wie fandest Du es? Dann hilft alles nichts, man muss ran und schauen. Und wer beim Anschauen dann einschläft, sollte keinesfalls vergessen, auf Record zu drücken, um den großen Moment festzuhalten (Sleeping-Selfies).

 

Weitere Filmgedanken:

 

Weitere neue Artikel

Wie Animatronics die phantastische Nähe bei Aufnahmen von Wildtieren erst möglich machen

Der Film hatte mehrere Erfinder. Das was im November 1895 im Berliner Wintergarten passierte, war der Beginn der Deutschen Filmgeschichte.

Die ersten Filmscheinwerfer waren furchtbar, doch die Schauspieler*Innen ließen sich nichts anmerken

Handys sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, wie finden sie Eingang in Filme und Serien?

Es ist ein schwieriges Kapitel und schwer nachzuvollziehen, weshalb Film & Kino in den Schulen kaum vorkommen

Wenn man über Schauspiel-Ikonen spricht, fällt ihr Name sofort. Was war das Erfolgsgeheimnis der beliebten Schauspielerin?

Worauf muss man bei Handgriffen (Handles) achten, um sauber aus der Hand drehen zu können?

Zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag und dem 6. Januar liegen zwölf Nächte, welche die Fantasie auch von Filmemacher*Innen anregen...