Filmkritik "Nach dem Happy End"
Deutschland 2021, Autor.in: Katharina Köster, Tobias Tempel. Kamera: Tobias Tempel, Schnitt: Agata Wozniak
Projektorrattern, Sonnenstrahlen die sich auf Super 8 durch Laub zwängen, so beginnt der Film mit einem Rückblick. Ein Kind spricht mit einem Esel, so wie andere Kinder das auch tun würden, doch dieses Kind hat einen Helm auf, der es vor Sturzverletzungen schützen soll. Die Stimmen aus dem Off verraten, dass die Ärzte prognostizierten, dass Tobias nicht älter als ein Jahr werden würde. Doch die Stimme verrät auch, dass Tobias ein Kämpfer gewesen sei. Tobias ist herzkrank und er erzählt uns, viele Jahre nach der Szene mit dem Esel, dass er diese Tatsache schon seit er sich erinnern kann, immer mit sich herumgetragen hat.
Immer wieder war Tobias im Kinderhospiz, konfrontiert mit dem nahen Tod, konfrontiert mit dem sich Ausmalen, wie dieser Tod dann aussehen, wie der Sarg bemalt sein und wer seine Sachen bekommen solle. Und dann kommt er eines Tages, vierzehnjährig ist er inzwischen, vom Spielen nach Hause und erfährt, dass ein Spenderherz für ihn verfügbar sei. Tobi lehnt ab, doch als der Arzt sagt, die Ablehnung würde bedeuten, das er nie wieder ein Spenderorgan erhalten würde. Die Ärzte raten der Mutter, ihren Sohn dazu zu zwingen, sich operieren zu lassen, weil dies seine einzige Überlebenschance sei.
Das ist eine heftige Prämisse und der Film erzählt davon, was das mit dem Jungen gemacht hat, welche Ängste, welche Wut, welche Zweifel, welchen Schmerz all das in ihm ausgelöst hat. Zwischen vielen bildgebenden Techniken mit denen man ein Herz betrachten kann, von Ultraschall bis EKG spricht der inzwischen ältere Tobias davon, wie schwer es fiel, mit der gelungenen Operation und einem fremden Herzen Eins zu werden. Immer wieder hat das Team mit Tobi gedreht, war in alltäglichen aber auch in entscheidenden Momenten dabei. Ein Jahr nach der OP steckt ihn die Mutter in ein Internat, Tobi ist 15, verneint er die Frage, ob er das Gefühl habe, es sei sein Herz.
Und so erzählt der Film auch davon, was die familiäre Situation, was Einschnitte wie die Trennung der Eltern und das Leben im Internat mit ihm machen. Er ist wütend, wegen allem. Nach und nach, Tobias ist inzwischen 17, offenbart der Film weitere Details, welche die besondere Situation des Jungen deutlich machen. Ein Puzzle setzt sich zusammen, mit einer erstaunlichen Bereitschaft des Protagonisten über sein Inneres zu sprechen. So artikuliert, dass man kaum seine Innenwelt entdecken muss als Zuschauer, er legt alles verbal offen. Der Film findet dennoch immer wieder in Kollagen Bilder, welche seine Innenwelt repräsentieren.
Mehr als zehn Jahre begleitet der Film Tobias und sein Ringen mit dem, was ihm ein zweites Leben geschenkt hat,- sein Herz. Ein überzeugender Film, der noch lange im Kopf weitergeht und eine andere Perspektive.
Gesehen von Mathias Allary