Dreharbeiten Spielfilm

Was genau machen RegisseurInnen eigentlich am Drehort und wie viel Plan und wieviel Zufall prägen den Dreh?

 

Was der Zufall bringt...

Viele Menschen glauben, bei den Dreharbeiten zu einem Film stünde alles schon ganz fest und sei bis ins kleinste Detail festgelegt. Tatsächlich aber wird jede Szene am Set beinahe neu erfunden (oder „gefunden“), optimiert und den realen Gegebenheiten angeglichen.

 

Die Arbeit vor Ort...

Wenn die Dreharbeiten begonnen haben, dann werden Sie weiterhin damit beschäftigt sein, Ihre Vorstellungen zu vermitteln. Sie werden aber auch mit Unwägbarkeiten, mit Problemen, mit Abweichungen von Ihren Vorstellungen zurecht kommen müssen. Ganz wichtig ist die Erkenntnis, dass diese Abweichungen vom Plan nicht von Nachteil sein müssen. Im Gegenteil, sie können den Film sogar bereichern, optimieren. So lange Sie die Grundidee nicht aus den Augen und dem Herzen verlieren, liegt in jeder Abweichung eine Chance.

 

Zitat aus SZ-Interview:

„Die Kunst beim Filmen ist, das Beste aus Zufällen zu machen“, heißt seine Devise, und darum verlegt er eine Drehszene im Garten bei Regenwetter schon mal in ein Malergeschäft. „Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sogenannte störende Einflüsse die Geschichte nur beleben, ja, sie sogar besser machen können.“ (Zitat: Mathias Allary)

 

Dreharbeiten auf Steg

Mit Minimalteam, Butterfly (Sonnensegel) und Darstellern auf einem Bootssteg (Dreharbeiten zu „Midsommar-Stories“)

 

"Das stand so nicht im Plan...“

Nicht wenige Filmteams haben auf das Eintreffen irgendwelcher kulinarischer Requisiten (Pizza, Hamburger, Pommes, Torte etc.) gewartet, weil es nun mal so im Buche stand. Ein Umstellen des Speiseplans der Filmfiguren hätte die Wartezeit oftmals verkürzen können. Nicht alle Störungen Ihrer Drehplanung sind von Nachteil, wenn Sie versuchen, die Möglichkeiten, die sich eröffnen, in Ihre Geschichte einzubauen. Nichts ist lähmender, als auf das Eintreten irgendwelcher Bedingungen zu warten, die vielleicht für die Erzählbarkeit der Geschichte gar nicht notwendig wären.

Es gibt so viele notwendige Bedingungen an einem jeden Drehtag, man sollte bei den übrigen so flexibel sein wie möglich und sich nicht an jedem Buchstaben im Drehbuch festbeißen! Damit Sie Fehler und Irrtümer vermeiden, werden an dieser Stelle natürlich die „Klassiker“ wie Achsensprung oder Anschlussfehler erläutert.

Wenn Sie ein paar wenige Grundregeln beachten, brauchen Sie diese beliebten Fehlerquellen auch nicht zu fürchten. Bei Unsicherheiten kann man in der Regel auch im bereits gedrehten Material nachschauen, wie die Positionen und Richtungen in bereits gedrehten Einstellungen waren.

 

Dreh

Jörg Widmer (Kamera), Mathias Allary (Regie) bei Dreharbeiten zu "Liebe, Leben, Tod"

 

Abläufe und Bildgestaltung

Nachdem der/die Regisseur/in mit den Schauspielern (abseits des Sets) die emotionalen Grundlagen der Szene/Einstellung und die sprachliche Umsetzung geprobt hat, begibt man sich, wenn Kamera und Licht fertig sind, in das Motiv. Nun beginnen eine Vielzahl von Feinabstimmungen, bei denen vor allem Regie, Kamera und Schauspieler sich langsam an das gewünschte Ergebnis herantasten. Die Arbeitsweise ist ein gegenseitiges Anbieten, Vorschlagen von Möglichkeiten und Reaktionen darauf.  Es sind Versuch und Irrtum, Ja und Nein, mit denen die Abläufe perfektioniert werden. Dialoge, die in keinem Drehbuch stehen, führen mit wenigen, kurzen Anweisungen zum gewünschten Ergebnis.

 

Wie verständigt man sich miteinander?

Kamerafrau / Kameramann fragt etwa: Kannst Du das noch mal vormachen?

Schauspieler*In macht einen bestimmten Handlungsablauf vor, „bietet etwas an“.

Kamerafrau / Kameramann: Ja, halte den Brief ruhig etwas höher, ja, etwas höher, damit ich deine Augen mit im Bild habe. Und jetzt schau auf die linke Seite des Briefes, ja, so ist das schön.

Schauspieler*In verändert ihre/seine Bewegungsabläufe entsprechend der Ansagen und schaut zur Regie, um deren / dessen Meinung zu erfahren.

Regisseur*In: Dann darf er aber den Brief nicht so früh aus der Jacke ziehen, das sieht seltsam aus, wenn das so lange dauert. Dann mach das später, vielleicht erst beim letzten Satz, OK? Und schau zuerst nervös zur Tür, bevor Du den Brief hervorziehst.

Der Schauspieler nickt mit dem Kopf und spielt den Ablauf nochmals durch.

Regisseur*In zu Kamera: Ist das in Ordnung für Dich, wenn die Hand erst später die Bewegung macht?

Kamerafrau / Kameramann: Ja, dann bleibe ich noch etwas länger halbnah und wir fahren erst später auf ihn zu, ja?

Regisseur*In: Gut. Dann bitte alles auf Anfang!

Schlagartig sind die Beteiligten am Dreh wieder an ihren Positionen. Letzte Feinabstimmung wird vorgenommen.

Regisseur*In: War die Türe nicht weiter geöffnet?

Continuity: Ja, genau, die war offen.

Kamerafrau / Kameramann: Schieb mal einer den Tisch etwas mehr nach hinten...! Ja, so! Und da hinten der Reflex an der Vitrine muss weg!

Requisite korrigiert den Tisch, Beleuchter sprayt den Reflex mit Matt-Spray ab.

Kamerafrau / Kameramann: So ist gut!

Regisseur*In: Können wir?

Schauspieler*In: Steh ich gut?

Regisseur*In: Ja, und warte auf mein Zeichen!

Aufnahmeleiter*In: So dann Ruhe, bitte!

 

Jetzt muss alles fertig sein, und wieder beginnen die üblichen Kommandos.