Museumsfenster

 

Vermutlich hatten die Pferdekutschenhersteller um 1910 herum ähnliche Überlegungen, als immer mehr Kunden Automobile bevorzugten. Man müsse die Kutschen nur breiter, mit besserem Polstermaterial, schönerer Lackierung attraktiver machen, um zu überleben, dachten sie.

Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland kämpfen mit einem stetigen Bedeutungsverlust, weil junge Zuschauer ihre Angebote immer weniger bis überhaupt nicht mehr anschauen. Bei einem momentanen Durchschnittsalter der Zuschauer von etwa 60 Jahren machen sich die Strategen in den öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten seit Jahren ihre Gedanken, voraussichtlich werden die heute jungen Internet- Affinen, wenn sie mal 60 sind, dann auch kein ARD oder ZDF Programm mehr anschauen wollen.

Es geht nicht nur um nackte Zahlen bei dieser Diskussion, es geht auch darum, dass Institutionen, die qua Gesetz von jedem volljährigen Bürger, selbst wenn dieser blind und taub ist, Gebühren einfordern, irgendwann ihre Legitimation hierfür verlieren, wenn der Zuschauerschwund immer größer wird.

Es gab schon einmal eine vergleichbare Bedrohung, als die damals noch jungen Privatsender über Satellit empfangbar waren und Zuschauer ohne Fernsehantenne oder Kabelanschluss sich weigerten, den Öffentlich-Rechtlichen Gebühren zu überweisen, weil sie nachweislich technisch gar kein ARD oder ZDF anschauen konnten. Die Rettung für ARD und ZDF lag damals darin, auch über die gleichen Satellitentransponder auszustrahlen. Deswegen hatten sie zwar nicht mehr Zuschauer, aber die Gebührenargumentationskette stimmte wieder. Ähnliches wiederholte sich mit dem Internet, auf welches die Öffentlich-Rechtlichen zunächst vor allem deshalb aufsprangen um damit in der Gebührenerhebung auch Computer zu "Fernsehgeräten" erklären zu können.

Nun also arbeitet man daran, das Worldwideweb mehr zu bespielen, versucht krampfhaft crossmediale Projekte aufzuziehen, einen eigenen Jugendkanal zur Bündelung der vorhandenen "jugendnahen" Angebote aufzulegen. Trotz der rekordverdächtigen Acht Milliarden Euro Gebühreneinnahmen (!) jährlich, ist dafür wie es scheint, kaum zusätzliches Geld übrig, derartige Maßnahmen müssen quasi aus den bisherigen Töpfen bedient werden. So reduziert man einfach Produktionsbudgets um 20-25% um das Geld in begleitende Internetbespaßung zu investieren (der größte Kostenfresser, die überbordende Verwaltung der Fernsehbehörden reduziert sich interessanterweise nie selbst), spart weiter an den Auftragsproduktionen um den Jugendkanal aufzugleisen.

Und wenn das dann alles so halbwegs angelaufen ist, wird man wieder öffentlich über den Kostendruck stöhnen und die nächste Gebührenerhöhung einläuten. Bis dahin ist eben noch weniger Geld für Content vorhanden, was sich in geringerer Qualität niederschlagen und die Zuschauer vermutlich noch weniger an ARD und ZDF binden wird.

Schade eigentlich, denn ARD und ZDF sind und wären als Gegenentwurf zu den sich einem angeblich niederen Massengeschmack allzu anbiedernden Privatsendern enorm wichtig. Sie müssten nur wieder mehr für gedankliche und gestalterische Qualität bürgen und auch den filmischen Nachwuchs stärker fördern. Dafür braucht es keinen Jugendkanal und auch keine erzwungene Transmedialität. Wo sich etwas anbietet, im Internet zu erweitern, gerne, aber nicht so krampfhaft und naiv.

Mit mehr mutigen, ungewöhnlichen Filmen und Projekten hätten die öffentlich-rechtlichen Sender höchstwahrscheinlich viel bessere Chancen, ein anderes, auch jüngeres Publikum zu gewinnen, ein originäreres Profil zu entwickeln und nicht zuletzt ihren Auftrag laut Staatsvertrag zu erfüllen. Sonst wird es ihnen ergehen wie den Kutschenherstellern damals. Sie wurden von den Autofabrikanten abgelöst, bis auf einen, Karmann, der später das legendäre Karman-Ghia Auto baute, damit zwar nicht dauerhaft, aber immerhin noch mehrere Jahrzehnte überlebte.

 

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