Hannu-Pekka Peltomaa

Hannu-Pekka Peltomaa, der Regisseur des finnischen Beitrags "Rose Garden" diskutiert mit dem Publikum

 

Die Programme des Filmschool Festivals sind teilweise recht kontrastierend zusammengestellt, das ist gut so, denn das garantiert neue, frische Aufmerksamkeit. Der Kinosaal des Filmmuseums ist gut gefüllt und die Diskussionen, dort wo die Filmemacher anwesend sind, spürbar von Interesse und persönlicher Annäherung an die Filme geprägt. Nach jedem Film wird nach Möglichkeit diskutiert, das schafft Abstand zwischen den Filmen und ermöglicht zugliech mit den noch frischen Eindrücken des Gesehenen in eine direkte Fragerunde einzusteigen.

 

Andererseits macht diese Struktur es natürlich für die Jury, die beinahe ganz hinten im Kinosaal sitzt schwer, so wie es für eine gänzlich unabhängige Bewertung sinnvoll wäre, nach den Filmen jeweils raus zu gehen um nicht durch die Diskussion beeinflussbar zu sein.

 

Wall of Fame

Die Wall of Fame des Filmschoolfests 2018

 

Filme aus dem Programm 6

4,95

Deutschland 2017

Der Kurzfilm von Timo Bénit von der Berliner DFFB spielt in einem Friseursalon, in den man selber lieber nicht hinein geraten wollte. Wie die Anmoderation verriet, hatte sich der Regisseur offensichtlich selbst als Hauptdarsteller zum willigen Opfer des mehr als uninspirierten Friseurs mit der Haarschneidemaschine erwählt. Der Titel verrät bereits, welches der einzige Pluspunkt dieses Salons zu sein scheint, der günstige Preis. Ansonsten verpasst der Friseur offensichtlich ohne Ansehen der Person oder Berücksichtung individueller Wünsche, jedem Kunden den gleichen Undercut. Seiten und Hinten kurz, oben etwas länger.

 

Und so erleiden die Zuschauer gemeinsam mit dem Protagonisten und einigen wartenden Kund-inn-en im Salon, wie die Schneidemaschine sich mit konstantem Surren zielsicher durch die vormals längeren Haare kämpft. Die Dramaturgie des im übrigen im inzwischen fast exotischen 4:3 Seitenverhältnis gedrehten Films, unterwirft sich den physikalischen Gesetzmäßigkeiten des Vorgangs,- weshalb am Ende des Films eine der wartenden Kundinnen der Hauptfigur kurz nachrennt um ihm einen Bonbon in die Hand zu drücken und wieder zurück in den Laden zu laufen, erschließt sich nicht wirklich. Aber das ist auch nicht so wichtig, das Hauptvergnügen besteht in der Beobachtung des Barbiers und seines Opfers.

 

Gesehen von Mathias Allary

 

Asa turns 13

Standfoto aus "Asa turns 13" von Sali Elimelech (Foto: Filmschoolfest)

 

ASA TURNS 13

Der Kurzfilm von Sali Elimelech (Israel 2017) erzählt von dem Jungen Asa, der allein mit seinem Vater aufwächst und am nächsten Tag sein Beschneidungsfest, Bar Mitzvah begeht. Man erfährt, dass seine Mutter gestorben ist und dass er sich weigert, ihr Grab zu besuchen. Er schwänzt die Schule und hängt mit einem Kumpel ab. Man spürt ganz deutlich, dass dieser Asa unglücklich ist, dass ihn etwas schmerzt und an vielem hindert.

 

Der Vater geht nicht allzu freundlich mit ihm um, als er das erfährt. Am nächsten Tag wird Asa von den Verwandten und Nachbarn zum Bar Mitzvah begleitet, dort steigt Wut in ihm auf und er rennt zu dem Friedhof und besucht endlich das Grab seiner Mutter.

 

Der Film ist handwerklich sehr gut gemacht, Bildsprache, Schauspielführung, alles wirkt professionell und auch die Schauspielführung des Jungen funktioniert. Vielleicht wäre ein wenig mehr Utopie schön gewesen, die Dinge, die Asa sich ersehnt, seine Hoffnungen bleiben weitgehend innerhalb der vorgeschriebenen Abläufe. Doch das wäre schon wieder eine andere Geschichte.

 

Gesehen von Mathias Allary

 

Die Lounge des Filmschoolfestivals im Münchner Stadtmuseum

 

Die oben besprochenen Filme sind Bestandteil von Programm 6. Der folgende Film lief in Programm 1:

 

SOME OF THESE DAYS

some of these days 2000

Standbild aus "Some of these Days" von Vincent Förster (Foto: Filmschoolfest)

 

16 Minuten, Regie: Vincent Förster

 

Karlheinz Drechsel ist 88 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Annemarie lebt er heute in Berlin. Er ist Journalist für Musik und ein Experte für Jazz. Regisseur Vincent gewährt einen Einblick in das Wohnzimmer seiner Großeltern. Zunächst legt Some Of These Days noch etwas trocken los. Beide Protagonisten scheinen nicht gerade amüsiert darüber, dass nun der junge Enkelsohn eine Kamera inmitten des Geschehens aufstellt. Anfänglich mit vielen Pausen und scheinbarer Leere an Handlungen, sitzen Karlheinz und Annemarie auf ihrem Sofa. Die Wand im Stil der 70er Jahre tapeziert und mit großen Wandgemälden beschmückt.

 

Genau hier beginnt jedoch das Vergnügen am Film. Mit kurzen Aussagen, Gesten und Blicken beginnt man allmählich die liebevolle Bindung zwischen den beiden zu spüren. Sie necken sich wie frisch verliebt und mit jeder vergehenden Minute des Films, gelingt es immer tiefere Einblicke in die Charaktere der Beiden zu erhaschen.

 

Die, wie sich im Film zeigt, deutlich von Drittem Reich und DDR geprägt sind. Betrachtet man ihr gesamtes Lebensbild, so stellt man fest, dass sie insgesamt in fünf politischen Systemen aufwuchsen. Geboren in der Weimarer Republik, aufgewachsen in Nazi-Deutschland, unter sowjetischer Besatzung für drei Jahre, führten sie dann ein langes Leben in der DDR bis zur Vereinigung der beiden Deutschlands. Annemarie sagt ein Gedicht Stalins auf und ihr Mann tanzt fröhlich in ihrer eigenen Musikbibliothek zu einem verbotenen Titel ihrer Zeit. Beide scheinen sie die Freiheit ihrer jetzigen Zeit zu genießen, rückblickend und gelassen auf die vorherige Lebenszeit. Und für einen Moment wirkt es als würden sie sich zurück auf ihr Jahrzente zurückliegendes, gefährliches Abenteuer zwischen Wagemut und Verbot begeben. Im Kontrast dazu bekommt es dem Film sehr gut, diese Erlebnisse in einer Art des gemächlichen Erzählens und in ruhiger Atmosphäre eingefangen und schließlich in einer wundervollen Metapher des Jazz wiederspiegelt zu haben.

 

Ziel ist es eigentlich einen Jazz-Soundtrack für die deutsche Geschichte des 20. Jahhunderts zu finden. Der Film entwickelt sich aber zu einem Ausdruck der von weitaus mehr gefüllt ist als das. Es geht neben einer bestimmten Lebenseinstellung und politischen Haltung eben auch “um’s Altwerden, um Familie, um Liebe”, wie der Regisseur betont. Nicht zuletzt begleitet Some Of These Days durchgängig ein Hauch von ironischem Humor seitens der Großeltern an seinen Enkelsohn Vincent, der ja eigentlich nur versucht seinen Abschlussfilm zu drehen. Karlheinz Ehefrau hat eine unfassbar fröhliche Ausstrahlung, beide schmunzeln sie über vergangene und überstandene Zeiten. Sie schenkt ihrem Mann ständig mit einer ganz eigenartig schönen Komik ein Lächeln ins Gesicht.

 

Es ist berührend zu beobachten wie Mann und Frau gelassen im Jetzt leben. Der 16 minütige Kurzfilm nimmt uns im wahrsten Sinne mit auf eine gemächlich authentische Reise.

 

Gesehen von Fatbardhë Hakaj

 

Filme aus dem Programm 9

 

DON‘T KNOCK

dont knock

Standbild aus "Don´t Knock" von Solanlli Lozano Ruíz und Karen Albarracín Montoya, (Foto: Filmschoolfest)

 

Ein Film, dessen Titel im ersten Moment nach einem Horrorfilm klingt, und obwohl das dunkle und heruntergekommene Setting dazu passen würde, merkt man bald, dass er das genaue Gegenteil ist. Die Geschichte erzählt von einem älteren Ehepaar, deren Sohn verschwunden ist, was jedoch erst im Laufe des Films klar wird. Die berührende Story wird nur wenig über Dialog, dafür aber in sehr starken Bildern und Symbolen erzählt.

 

Das ganze Design ist im Stil alter VRS-Kassetten gehalten, die in dem Film selbst eine große Rolle spielen und außerdem zu den Gefühlen der Eltern passen, wie die beiden Regisseurinnen Karen Albarracin und Solanlli Lozano von der Universidad Politecnico Grancolombiano erklärten. Auch die Parallelen zwischen dem von Jugendlichen kaputt geschossenen Fenster und dem Innenleben der zwei ist eindrucksvoll, und die intentionalisierte Verwechslung von Punkbands mit Pornofilmen lässt einen zwischendurch sogar schmunzeln. „Wenn man den Film mit einem Satz beschreiben müsste, dann wäre dieser: Feuer lässt sich nicht mit Feuer bekämpfen“, fügten Albarracin und Lozano hinzu.

 

Gesehen von Louise Rabl

 

FLOOD

Dieser Film der Israelin Oshri Zeituni, der dieses Jahr den Publikumspreis gewonnen hat, geht unter die Haut. Er erzählt die Geschichte der siebzehnjährigen Osher und ihrer Familie, die gerade von der Mutter verlassen wurde. Und es dauert nicht lange, bis man herausfindet, was der Grund dafür war. Denn sowohl Osher als auch ihre Brüder erfahren immer wieder Gewalt von ihrem kranken Vater. Die Situation droht zu eskalieren, als die Wasserleitungen des Hauses zusammenbrechen.

 

Der Film hatte viel Arbeit erfordert. Im anschließenden Interview erklärte die Regisseurin, dass sie in einem Haus drehten, das kurz vor dem Abriss stand, um sowohl die physischen Lebensumstände der Familie deutlich zu machen, aber auch ihre psychischen Probleme. Die Einrichtung mussten sie komplett selbst stellen. Um die beiden Gruppen in der Familie, also Osher mit ihren beiden kleineren Brüdern sowie den Vater mit ihrem älteren Bruder Avi, deutlich zu machen, arbeitete sie auch mit den Schauspielern in diesen Gruppen. Dennoch schafft sie es, kein absolutes Schema von Gut und Böse, sondern ein Spektrum mitsamt der Hintergründe der Charaktere darzustellen. Auch wenn man am meisten mit Osher sympathisiert, kann man den Vater nicht als Monster sehen. Gerade deswegen geht einem der Film sehr nahe.

 

Mit Flood ist Oshri Zeituni ein berührender und aufrüttelnder Film gelungen, der die in Israel immer noch weit verbreitete Gewalt gegen Kinder anklagt. Bald wird die Fortsetzung als Feature mit dem Titel American Icecream in den Dreh gehen.

 

Gesehen von Louise Rabl

 

Ein Besuch der Programme lohnte sich in jedem Fall, die Filme waren in den unterschiedlichen Programmen bis einschließlich Freitag jeweils um 11:00, 14:30, 17:00, 19:30 und um 22:00 im Münchner Filmmuseum am St. Jakobs Platz zu sehen, Workshops fanden zusätzlich im Gebäude der HFF München statt. Mehr Infos zum Filmschoolfest

 

Das Film School Fest ist vorbei, die Studenten sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt und im Filmmuseum ist wieder Ruhe eingekehrt - und doch sind die Filme im Gedächtnis hängen geblieben, einige mehr, andere weniger. Und gerade deshalb besteht bei manchen vielleicht noch etwas Redebedarf.

 

Einen Überblick über das Programm gibt es hier: https://www.filmschoolfest-munich.de/de/programm/

 

Hier findet Ihr die Gewinnerfilme des Filmschoolfests 2018