|
< alle Kritiken von A-Z
< zurück zu den aktuellen Filmkritiken
|
USA 2005
Regie: Frank Miller, Robert Rodriguez
Kamera: Robert Rodriguez
Schnitt: Robert Rodriguez
Musik: John Debney, Graeme Revell, Robert Rodriguez
Darsteller: Jessica Alba, Devon Aoki, Alexis Bledel
|
Robert Rodriguez' umfeierte Gewaltoper "Sin City" war ja
zumindest in der Erwartungshaltung auch mein Favorit für das Kinojahr
2005. Zweifelsohne ein rasant inszenierter, visuell berauschender
Overkill. Doch die episodenhaft verwobenen Handlungsstränge krachen ohne
Nachwirkung vorüber. Dass sich ein passabler Bruce Willis für die
talentfreie Jessica Alba opfert, könnte zu Herzen gehen, tut es aber
nicht. Dass ein kerniger Clive Owen das Kartell der knallharten Killernute
Rosario Dawson aus Liebe mit dem Leben verteidigt, könnte fesseln, tut es
aber nicht. Dass ein monströser Mickey Rourke für eine ermordete
Prostituierte, die ihm einst die schönste Nacht seines Lebens beschert
hat, durch Wände rennt, könnte umhauen, tut es aber nicht. Ich mag die
schrägen Gestalten - allen voran Elijah Wood als tanzender Kannibale ist
zum Küssen - ich liebe die Optik, ich liebe die Kompromisslosigkeit, ich
will diesen Film lieben, aber er hat mein Herz einfach nicht entflammen
können. Die - von Rodriguez inszenierten - Figuren sind allesamt ziemlich
cool, aber nicht einer von ihnen mag es gelingen, eine einnehmende
Präsenz und emotionale Prägnanz zu entwickeln, die über die Leinwand
hinweg gefangen nimmt. Eine von Gastregisseur Tarantino inszenierte
Sequenz zeigt, was aus den gebrochenen Helden Sin Citys hätte werden
können: Clive Owen kutschiert den vom Nuttenkartell ermordeten Polizisten
Benecio Del Toro auf seinem Beifahrersitz durch die verregnete Nacht. Als
der Tote mit einem Mal zu sprechen beginnt und die innere Getriebenheit
seines Chauffeurs verbalisiert, droht Owen den Verstand zu verlieren.
Unberechenbare Dialoge und ein psychedelisches Spiel mit Licht und
Schatten manifestieren die innere Zerwühltheit der Figur auf
beunruhigende Weise. Tarantinos Charaktere sind genau beobachtet, sie
bilden die Grundpfeiler seiner Geschichten und sind in ihrer emotionalen
Glaubwürdigkeit erdbebenresistent. Hätte er "Sin City"
inszeniert, wahrscheinlich wäre seine Interpretation tornadogleich über
die Leinwand hinweg und aus dem Kino hinaus gefegt, unter Rodriguez'
Fuchtel langt es immerhin zu einem dreckigen Bleigewitter mit hohem
Unterhaltungswert.
Gesehen von Josa Sesink
|