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Regie: Neil Marshall, England 2005
Auf den britischen Höhlenschocker "The Descent" hat das
Horrorkino seit "The Blair Witch Project" gewartet. Nach einem
halben Jahrzehnt endlich mal wieder ein Beitrag, der auf eine einzigartige
Weise zu den Wurzeln des Genres und der Menschheit zurückführt, und dem
ich eine Zukunft als moderner Klassiker prognostiziere. Am Anfang steht
der Tod. Die weibliche Protagonistin Sam wird von ihrem Mann Paul und
ihrer Tochter nach einem Wraftingtrip - der Teil des Abenteuerprogramms
ist, das Sam alljährlich mit ihrer Freundin Juno und weiteren Frauen
absolviert - am rettenden Ufer eines wilden Flusses erwartet. Auf der
Heimfahrt scheint Paul in Gedanken verloren. Sams Frage, ob ihn etwas
bedrücke, beantwortet Paul mit "Mir geht es gut." und lenkt den
Wagen geistesabwesend in einen Transporter, dessen Fracht ihn und seine
Tochter harpuniert. Ein Jahr später hat sich Juno einen ganz besonderen
Adrenalinkick einfallen lassen, um Sam aus ihrer durch den Verlust
erlittenen Ohnmacht zu befreien. Gemeinsam mit vier Freundinnen steigen
die Frauen hinab in eine unerforschte Höhle und ihre eigenen Abgründe...
Gern würde ich mehr verraten, denn "The Descent" ist
hervorragend erzählter perfider Psychohorror, der an menschlichen
Urängsten nagt wie eine Ratte am Rettungsseil und somit auch für den
Betrachter im wahrsten Sinne des Wortes physisch wird. Regisseur und
Drehbuchautor Neil Marshall hat sich eine einfache Frage gestellt. Wenn
eine Frau ihr Kind verliert, wohin wird sie gehen, um es
zurückzubekommen? In einer Zeit, in der das Kino die abwegigsten
Monstrositäten erschafft, wirft uns Marshall in die Steinzeit zurück.
Sein unterirdisches Labyrinth verbirgt etwas, nackt und blind wie ein
Embryo, dessen Hunger knurrt und mit Blut gestillt werden möchte. Das
zurückhaltende aber stets präsente Spiel mit Symbolik lässt den
knallharten Thriller sowohl an der Oberfläche als auch in seinem Innern
explodieren. Dabei wird derart gekonnt die Geschlechterrolle aufgehoben,
dass in Ansätzen vergleichbar erbarmungsloses Männerkino wie "Beim
Sterben ist jeder der Erste" mühelos übertrumpft wird. Dem
vielgestaltigen Horror, dem die mitunter fragwürdigen Heldinnen
ausgesetzt sind, kann sich wiederum auch der männliche Zuschauer nicht
entziehen. Und das ist der große Trumpf von "The Descent", der
ihn auf Augenhöhe mit Ridley Scotts "Alien" katapultiert. Doch
"The Descent" entführt uns nicht ins Weltall, seine Bedrohung
ist nicht außerirdisch. Zwar gedeiht der Horror ähnlich wie die "Alien"-Brut
im Innern seiner (Anti-)Helden, die finale Vernichtung jedoch ist nicht
monströs, sondern hausgemacht. Ein Meisterstück, wie es lange keines
mehr gegeben hat!
Gesehen von Josa Sesink
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