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Bal (dt. Honig) von Semih Kaplanoglu Kinostart: gegenwärtig leider nicht bekanntgegeben Ein Mann steht
im Wald, neben ihm ein Esel und er schwingt ein Seil in Richtung einer
Baumkrone. Er beginnt, senkrecht den Stamm hinauf zu klettern. Plötzlich
ein Knarzen der Ast spaltet sich und die Kamera zeigt eine Großaufnahme
des senkrecht in schwindelerregender Höhe hängenden Mannes, dem die
Angst ins Gesicht geschrieben steht. Die Leinwand wird schwarz. So Beginnt der
Film “Bal” (dt.Honig) des türkischen Regisseurs Semih Kaplanoglu.
Er erzählt die Geschichte der Familie des Imkers Yakup. Sein kleiner
Sohn Yusuf und er haben eine sehr enge Beziehung zueinander. In der
ersten Szene erzählt Yusuf seinem Vater, dass er etwas geträumt habe.
Der Vater antwortet, er solle es ihm ins Ohr flüstern, Träume sollten
nicht in die Welt heraus posaunt werden. Und so flüstert der kleine
Junge. Dieses Geheimnis, verbindet die beiden von nun an. Als Zuschauer
erfährt man nicht was der kleine geträumt hatte. Yusuf ist ein verträumter
Junge und sehr in sich gekehrt. Er redet mit niemandem außer seinem
Vater, der sehr einfühlsam auf ihn reagiert.
Seine Mutter hat hingegen kaum eine Chance zu ihm durchzudringen.
Der Sohn reagiert nicht, auf ihre Fragen und spricht auch von sich aus
kein Wort mit ihr. In seiner Schulklasse ist er ein Außenseiter. Immer
wieder ringt er um die Anerkennung des Lehrers. Mit irritierender
Entschlossenheit meldet er sich zum lauten Vorlesen und schließlich
wird klar warum der Junge nicht spricht. Er stottert. Er stottert so
sehr, dass die Klasse nach ein paar gestammelten Phrasen anfängt zu
lachen. Eines Tages bricht sein Vater auf um nach neuen Bäumen für
seine Bienenstöcke zu suchen. Zwei Tage wird er unterwegs sein sagt er
seinem Sohn. Doch er bleibt verschollen. Yusuf bemerkt, neben seinen
Problemen in der Schule, auch noch, dass seine Mutter langsam anfängt
sich sorgen um ihren Mann zu machen. Der Junge fasst sich ein Herz und
macht sich auf eigene Faust auf die Suche nach seinem Vater. Der Film ist der
dritte Teil der Yusuf-Trilogie die der Regisseur im Jahr 2007 mit dem
Film „Süt“ zu produzieren begann. Als Koproduktionspartner ist bei
diesem Werk die köllner Heimatfilm GmbH, mit an Bord. Die Sprache
Kaplanoglus ist sehr poetisch und bildstark. Er ist ein sehr visueller
Erzähler, und in sehr langsamer oben drein. Es wird aber nicht
langweilig, im Gegenteil das Erzähltempo gibt dem Film eine enorme
Schwere und Tiefe und dadurch etwas Besonderes. In der Pressekonferenz
geht der Regisseur auf seine Philosophie zum Filmton ein. Er verzichte
in all seinen Filmen auf Musik, da die Natürlichen Geräusche für ihn
erstens wie Musik seien und Musik in vielen Fällen auch irreführend
wirken oder sogar täusche. In seinem Werk geht dieses Konzept auch voll
auf. Auch künstliches
Licht habe der Regisseur nicht benutzt erzählt er. Alles was zum
Einsatz kam waren Reflektoren. Dem Look tut das jedoch keinen Abbruch,
es gibt zwar Szenen die sehr dunkel geraten sind, aber selbst diesen
Effekt weiß der Filmemacher dramaturgisch klug einzubauen. Das natürliche
Licht der Landschaft ist ohnehin schön genug und trägt einen großen
Teil zur Stimmung des Films bei. Eine kleine
schauspielerische Meisterleistung liefert übrigens Bora Altas ab. Der
damals siebenjährige, spielt völlig ungezwungen und authentisch diesen
kleinen verträumten Jungen der mit aller Hand Schwierigkeiten umzugehen
hat. Dies hebt der Regisseur auch hervor,
lobt Boras Leistung und betont, dass ohne ihn der Film so nicht hätte
entstehen können. Auf die Frage was denn am schwierigsten für ihn
gewesen sei, antwortet der Knirps cool: “Eigentlich war überhaupt
nichts besonders schwierig!“. Auch wenn das Erzähltempo
wahrscheinlich dazu führen wird, dass der Film zumindest in Deutschland
kein Massenpublikum ansprechen wird, ist er sehr gelungen, poetisch und
auf jeden Fall ein Genuss. Sicherlich ein heißer Kandidat im Rennen um
die begehrte Trophäe.
Lion Bischof
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