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Faust Regie: Alexander Sokurov Kinostart: 17. November 2011
Faust! Ein Name der wohl jedem bekannt sein sollte.
Vielleicht hat ihn nicht jeder gelesen, aber zumindest die ungefähre
Handlung der Tragödie von Goethe sollte man zumindest kennen. Als der
Klassiker der deutschen Literatur bekam der Stoff vor kurzem eine
Frischzellenkur. Der Russische Regiestar Alexander Sokurow nahm sich als
vierter und letzter Teil seiner Tetralogie, die von der Beschaffenheit
der Macht und schließlich dem Verlust eben dieser handelt, die
Geschichte des Doktoren Heinrich Faust vor. Sokurow realisierte den Film
mit einem Budget von knapp 10 Mio Euro und schuf damit eine der
teuersten Filmproduktionen Russlands. Gedreht wurde in Tschechien und Island, mit deutschen,
österreichischen sowie tschechischen Schauspielern und einem Regisseur,
der nur Russisch beherrscht. Da das Werk Faust in deutscher Sprache
verfasst wurde, war es schon zu Beginn an Sokurows Wunsch, den Film
selbst auch in deutscher Sprache zu drehen. Hierfür und für
aufkommende Sprachprobleme unter der Crew, engagierte er für 10 Wochen
ein deutsches Sprachatelier, sowie einen deutschen Dialog und
Synchronregisseur. Der Film beginnt mit dem Titel „Faust – Frei nach Johann Wolfgang
von Goethe“, in altertümlicher, geisterhafter Schrift. Ich erwähne
das deshalb, da der Satz „Frei nach J. W. Goethe“ schon mal einen
Anhaltspunkt für den folgenden Film gibt. Es wird also keine
vollkommene Adaption des Stückes geben. Vielmehr greift der Film nur
ein paar Grundaspekte der Tragödie auf und baut darauf eine Teils
veränderte Handlung auf. Auch weisen die Charaktere Faust und Mephisto
im Film eine veränderte „Beziehung“ zueinander auf als im Buch. Man
sollte also im Hinterkopf behalten, dass man hier keine eins zu eins
Faustverfilmung serviert bekommt. Sondern wie im Titel schon hingewiesen
wurde eine freie Übernahme der Geschichte. Sobald der Film beginnt bemerkt man etwas Ungewöhnliches und
heutzutage sehr seltenes. Der komplette Film hat ein Seitenverhältnis
von 4:3. Also jenes, welches vor etlichen Jahren noch auf unseren
Röhrenfernsehern flimmerte. Es ist auf jeden Fall ein mutiger Schritt,
in Tagen von 4k Auflösungen (viermal so viel wie Full HD 1920x1080) und
Seitenverhältnissen von 1:2,35 (21:9) das wir in Kinosälen bestaunen
können, einen Film mit einem Uraltformat zu veröffentlichen. Aber hier
hat Regisseur Alexander Sokurow die richtige Entscheidung getroffen.
Zwar läuft der Film in Farbe, besitzt aber häufig eine leichte gelb
bis braune Färbung, dazu kommen noch ab und zu ein paar Staubflocken
und Unreinheiten auf dem Film und schon schafft man es den Zuschauer
wahrlich in der Zeit zurück zu versetzen. Es macht wirklich nicht den
Eindruck als das der Film erst vor kurzem Entstand. Vielmehr wird einem
vorgegaukelt der Film hat gute 40 Jahre auf dem Buckel, oder sogar noch
mehr. So begeistert ich auf von der Idee und Umsetzung des Bildes war,
so enttäuscht war ich dafür von dem Film. Die vollen 134 Minuten ziehen einfach nur langsam vor sich hin. Von
den Schauspielerischen Künsten sticht nur Mephisto ein wenig aus der
Masse heraus. Kein Meisterwerk, aber zumindest die beste Figur im Film.
Verkörpert wurde er durch Anton Adassinsky, der es schafft seinem
Charaktere einen gewissen Grad an Verrücktheit zu verleihen. Mephisto,
der hier Besitzer einer Pfandleihe ist, kommt schmutzig und schäbig
daher, mit deformiertem Körper der ihn schon äußerlich sichtbar von
seinem Umfeld unterscheidet. Zusammen mit der Eigenart die ihm
Adassinsky verleiht, ergibt dies den besten Charakter des Filmes. Auch
Isolda Dychauk alias Margarete hinterließ einen Eindruck. Leider nicht
im positiven Sinne. Isolda überzeugt nicht in ihrer Rolle aus junges
hübsches Mädchen, dem Faust verfällt. Sie gibt nicht durchweg
schlechte Leistung ab, schafft es aber nie, die ihr zugetragene Rolle
glaubwürdig darzustellen. Insgesamt war ich dann doch ganz froh als endlich die Titeleinblendung „Ende“ zu sehen war. Der Film beginnt schlaff, hält sich in der Mitte auf demselben Niveau und Endet genauso auch. Teilweise vereinzelte Lichtblicke, die auf Verbesserung hoffen ließen, stellten sich als kurzweilig heraus und brachten nie die Gewünschte Steigerung. Da empfehle ich lieber J.W. Murnaus gleichnamigen Stummfilm von 1926 oder auch Faust von Peter Gorski aus dem Jahre 1960. Beides Spitzen Verfilmungen und für alle leseschwachen Klassikermuffel ist es wenigstes Pflicht einmal mindestens einen dieser beiden Filme gesehen zu haben. 4/10
Gesehen von Bastian Schwab
„Faust" polarisiert von Anfang an. Er beginnt mit einer Luftaufnahme einer nicht näher definierten historischen deutschen Stadt. Die nächste Aufnahme zeigt ein männliches Geschlechtsorgan eines Körpers, der gerade vom Protagonisten Faust in Metzgersmanier auf der Suche nach dem Standort der Seele seziert wird. Bereits hier dürfte jedem Zuschauer klar sein, dass Sokurovs „Faust" keine verklärt-romantische filmische Übersetzung von Goethes Werk ist. Nur wenige Szenen der Literaturvorlage kommen so auch im Film vor. Die Handlung ist lediglich in ihrer Grundstruktur und und an ihren markantesten Stellen kongruent, wie etwa dem Teufelspakt und der Gretchenfrage. Auch die Handlungsmotive der Figuren weichen erheblich ab. Nicht das Sehnen nach Erfüllung und Lebensglück, beispielsweise, bringt Faust zu Mephisto, der im Film Mauricio heißt - sondern seine materielle Notlage. Dass der Film bewusst von der Originalhandlung Abstand nimmt, kann Sokurov nur zugute gehalten werden. Durch seine Absicht, „Faust" als das zu zeigen, was bei Goethe zwischen den Zeilen steht, erscheint „Faust" in komplett neuem Licht. Der kreative Anspruch des Films ist über seine gesamte Länge hinweg zu spüren. Die Kehrseite davon ist , dass gerade für Kenner des Originals die Gefahr besteht, mangels Ähnlichkeit zu Goethe-Werk die Übersicht zu verlieren. Eine herausragende Arbeit des Kameramans Delbonnel sorgt für eine einzigartig düstere Stimmung um die historische Stadt samt ihrer Bewohner, deren Atmosphäre den Zuschauer unweigerlich in ihren Bann zieht. Hinzu kommen höchst authentisch wirkende Schauspieler, insbesondere das Hauptdarstellergespann Johannes Zeiler (Faust) und Anton Adassinskiy (Wucherer), die ihren Rollen mehr als gerecht werden. Sokurov hat mit seinem neuesten Film ein Stück schwer verdaulicher sehr artifizieller Kunst geschaffen. Nicht jeder wird sich sofort in dem Labyrinth aus Dialog, Metaphorik und Groteskem zurechtfinden. So wie die die Kritiken zum Film auseinander gehen, wird sich wahrscheinlich auch das Publikum spalten.
Gesehen von Ferdinand Kainz
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